Eine kleine deutsch-ukrainische Kontroverse …
Die „Lehre aus der Geschichte“: „Wir“ kommandieren die Werte!
„In der letzten Woche veröffentlichten die NachDenkSeiten einen Gastartikel von Oskar Lafontaine, in dem er unter anderem an die Opfer des seit 2014 geführten Krieges in der Ostukraine erinnert. Die Erwähnung, dass die Ukraine dort einen Krieg gegen die russisch-sprachige Bevölkerung führt, reichte einigen Prominenten aus dem transatlantischen Umfeld, um auf Twitter jegliche Contenance zu verlieren. Den Tiefpunkt setzte dabei einmal mehr der ehemalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, der Oskar Lafontaine und seiner Frau Sahra Wagenknecht androhte, man werde sie schon ‘sehr bald zur Rechenschaft ziehen’. Derlei offene Androhungen von Gewalt gehören offenbar mittlerweile zu den guten westlichen Werten, die ‘wir’ in der Ukraine verteidigen.“
Der link: https://www.nachdenkseiten.de/?p=96881
Eine kleine eingeschobene Bitte aus aktuellem Anlass: Wäre es nicht an der Zeit, diesen Werte-Quatsch einmal bleiben zu lassen? Oder wenigstens zurückzustellen? Und sei die Erinnerung an die „guten westlichen Werte“ auch noch so rhetorisch-ironisch gemeint! Zeitgenossen mit einem einigermaßen durchschnittlichen Gedächtnis und mit einem Mindestmaß an – ja, ich spreche es hiermit aus! –, mit einem Mindestmaß an intellektueller Redlichkeit, denen kann das Offensichtliche nicht verborgen bleiben: Die westlichen Werte sind nichts wert! Bzw. sind sie halt ganz anders gemeint und anders zu verstehen: Die Werte sind das moralische Handwerkszeug der Machthaber, die damit sich ins Recht setzen, in der Regel gegen ihresgleichen außerhalb – aber als moralische Handhabe gegen die Machthaber sind sie nichts wert. Die Berufung auf Werte selbst ist eine denkbar primitive Technik – der Werteanbeter dementiert seine politischen Interessen und Zwecke, indem er eine dienende Stellung zu einem höheren Zeug beansprucht, und dadurch verabsolutiert er seine Ansprüche, im Fall des Falles! Das ist alles; und alle Menschen guten Willens mit einem durchschnittlichen Gedächtnis wissen oder könnten wissen, wie frei und berechnend die westlichen Machthaber mit ihren Werten hausieren, und wie zweckmäßig die sog. „Realpolitik“ ins Treffen geführt wird, wenn gute Beziehungen zu auswärtigen regierenden Folterknechten und Autokraten gebieten, den Werte-Ball öfter mal sehr flach zu halten. Die Behauptung, die Hüter der westlichen Werte würden sich beim Globalisieren daran orientieren, wie gut oder schlecht auswärtige Machthaber ihre Untertanen behandeln, ist erst mal als zu kennzeichnen, was sie ist: Heuchelei – um es auch ein wenig wertebasiert auszudrücken. Insofern ist es eine Unart, sich auf Werte zu berufen, sie hochzuhalten, indem ein Verstoß moniert wird – wenn man gerade und überdeutlich bemerkt, wie instrumentell und situationselastisch die Dinger benutzt werden. Der harte Werte-Kern, das ist die Position des Aufsehers und Richters über den Rest der Welt, die da beansprucht wird, und in dem Sinn sind die Werte auch bitter ernst gemeint.
Dieser Einschub ist auch wegen des einleitend angesprochenen Beitrags von Lafontaine fällig; da thematisiert er nämlich keineswegs nur die Opfer des Krieges ab 2014 in der Ostukraine, die Erwähnung ist eingebettet in eine Kritik an einer Rede des dt. Bundespräsidenten Steinmeier in Warschau zum 80. Jahrestags des Aufstandes im Warschauer Ghetto. Steinmeier erläutert u.a.: „Die wichtigste Lehre aus unserer Geschichte lautet: Nie wieder! Nie wieder Rassenwahn, nie wieder entfesselter Nationalismus, nie wieder ein barbarischer Angriffskrieg.“ Soweit der Wertemeier. (Lafontaines Beitrag: https://www.nachdenkseiten.de/?p=96613)
Lafontaine will dagegenhalten und erzählt Steinmeier nach: „Dann folgte die einseitige Schuldzuweisung an Wladimir Putin für den von den USA provozierten Krieg in der Ukraine. Er habe die Werte von Freiheit und Demokratie verhöhnt, das Völkerrecht gebrochen, Grenzen infrage gestellt und Landraub begangen. Vergessen hat Steinmeier das Versprechen, die NATO nicht nach Osten auszuweiten, den von Joe Biden und Victoria Nuland finanzierten Putsch in Kiew, den jahrelangen Krieg der ukrainischen Präsidenten gegen die russisch-sprachige Bevölkerung in der Ost-Ukraine mit 14.000 Toten und das Minsker Abkommen, an dem er mitgewirkt hat und mit dem man nach Auskunft der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Putin bewusst getäuscht und betrogen hat.“ Gut, soweit einige Fakten, die inzwischen weitgehend ignoriert werden, von der Verantwortungspresse. Aber nicht nur, denn auf diese Weise greift Lafontaine tief, ganz tief in den Werte-Schmalztopf; es wird richtig feierlich. Er dreht den Werte-Spieß einfach um und korrigiert die gerügte „einseitige Schuldzuweisung“ des deutschen Präsidenten:
„Nie wieder Rassenwahn? Warum hat Steinmeier nichts gesagt, als in der Frankfurter Paulskirche der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an den ukrainischen Schriftsteller Zhadan verliehen wurde, der die Russen als ‘Unrat’, ‘Tiere’ und ‘Schweine’ bezeichnete? Warum schweigt er, wenn mit Stepan Bandera ein Mann zum Nationalhelden der Ukraine aufsteigt, der für Massaker an Juden und Polen mitverantwortlich war?“ Ja, warum schweigt er? Es passt halt gerade nicht so gut, und das weiß auch jeder …
„Nie wieder entfesselter Nationalismus? Ist das von der rechtsnationalen PiS geführte Polen wirklich der richtige Ort, um festzustellen, dass unser gemeinsames Europa auf nie wieder entfesseltem Nationalismus gründet? Nie wieder ein barbarischer Angriffskrieg? Weiß Steinmeier tatsächlich nichts von der Beteiligung Deutschlands an den barbarischen Kriegen in Jugoslawien, Afghanistan oder Syrien? Hat er den barbarischen Krieg der USA im Irak schon wieder vergessen?“
Was will uns Lafontaine damit sagen, mit dieser ganz fein austarierten Schuldzuweisung? Dass das geläuterte und veredelte Deutschland, auf das sich Steinmeier beruft, doch noch – eigentlich! – ein kleines bisschen besser sein müsste als seine minderwertigen, alle Werte mit Militärstiefeln tretenden ukrainischen, polnischen und amerikanischen Verbündeten? Weil – an deren miesen Machenschaften sich Klasse-Deutschland eh’ bloß „beteiligt“, wie er so ausgewogen formuliert? Über Leichen gehen sie alle – stimmt, und auf Werte berufen sich auch alle! Wieso sollte man da kritisch mitmachen und die Werte affirmieren? Wenn es schon darum geht, sich „eigene Gedanken zu machen“ auf „NachDenkSeiten“ – wäre da nicht mal ein Ergebnis fällig? Wenigstens eine separate Würdigung des Wertewesens?
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Die Reaktion des ukrainischen Ex-Botschafter in Deutschland: „Oskar Lafontaine & seine Frau @Swagenknecht sind beide die schlimmsten Komplizen vom Kriegsverbrecher Putin, die als solche noch zur Rechenschaft gezogen werden. Und zwar sehr bald.“ (https://twitter.com/MelnykAndrij)
„Sehr bald zur Rechenschaft gezogen werden“ – womöglich noch vor dem Endsieg? Die politische Gleichschaltung analog zur Ukraine gehört nach Melnyks Meinung halt auch in Deutschland durchgesetzt, wenn Deutschland denn auch im Krieg ist; wo allerdings – und derzeit noch? – die Mainstream-Medien von der Verantwortungspresse für die Behandlung von „Putin-Komplizen“ und Abweichlern zuständig sind. Der ukrainische Ex-Botschafter hat die deutsche Hand, die ihn füttert, voriges Jahr zu oft gebissen, deswegen musste er gehen und wurde Vize-Außenminister. Melnyk wollte den speziell ukrainischen „Lehren aus der Geschichte“, nämlich dem Nationalkult um den damaligen Nazi-Kollaborateur Bandera ausgerechnet im heutigen Deutschland Geltung und Anerkennung verschaffen. Besagter Bandera wurde sich als ukrainischer Nationalist seinerzeit mit dem Dritten Reich in der Juden-, Polen- und Russen-Frage schnell einig; er brachte es darüber sogar zum „Ehren-Häftling“ im KZ Sachsenhausen, weil der damalige deutsche Staat im Unterschied zum heutigen für eine unabhängige Ukraine noch nicht reif war. Insofern ist Bandera in der Tat für die Personifizierung des Standpunkts „Ukraine über alles, koste es, was es wolle“ in höchstem Maß repräsentativ und geeignet. In die Tradition dieser Waffenbrüderschaft des Zweiten Weltkriegs will sich das heutige Deutschland aber partout nicht stellen lassen, gerade wenn und weil es gegen Russland geht. Eben wegen des spezifisch deutschen Wertezeugs, „Geschichte“ kann manchmal ziemlich kompliziert sein. (https://de.wikipedia.org/wiki/Stepan_Bandera)
Eine kurze Erinnerung an die Substanz der westlich-ukrainischen Wertegemeinschaft, also an diese schräge Interessengemeinschaft:
„Kiew wollte den Kampf nach Russland tragen und die Großstadt Rostow bombardieren. Aufschrei bei den Verbündeten in Washington und Brüssel: Das geht aber gar nicht! … Warum dieses Zögern? Weil eine Attacke auf Russland gefährlich wäre – für den Westen. Er will keine Ausweitung des Krieges. Das ist gut und richtig. Aber auch menschenverachtend zynisch. Denn stellvertretend wird eben die Ukraine geopfert – ein Land zerstört, eine Generation junger Männer verheizt. Zum Dank nennt man sie Helden. Kostet ja nichts. Die Maulhelden in Washington und Brüssel aber lehnen sich zurück. Feige, verlogen und heuchlerisch.“
https://weltwoche.ch/daily/maulhelden-im-westen-kiew-wollte-russland-bombardieren-bruessel-und-washington-sind-entsetzt-obwohl-dies-der-westlichen-kriegs-logik-entspricht/
Ob es dabei bleibt, steht dahin, der Westen behält sich alle Eskalationen offen und überquert ständig frühere „rote Linien“ beim Waffenliefern. Wie es da auch weitergeht, dieses Verheizt-werden von den als nützliche Idioten benutzten Ukrainern, das kann auch besorgten Bürgern in der Ukraine nicht verborgen bleiben, und auf der Basis „feige, verlogen, heuchlerisch“ baut sich dort schön langsam ein ordentlicher Hass auf den Westen auf; gerade Melnyk hat sich in etwa dieser Preislage öfter beschwert, und deutsche Politiker in diesem Sinn beschimpft. Man hat der Ukraine schließlich die NATO-Mitgliedschaft vor die Nase gehalten wie dem Esel die Karotte; da wurde womöglich nicht nur Russland „getäuscht und betrogen“. Und da sucht und findet einer wie Melnyk offenbar in Lafontaine und Wagenknecht geeignete Sündenböcke für den „Verrat“ des Westens, den er seinen Sponsoren, von denen die Ukraine lebt, nicht allzu offen vorwerfen kann.
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/westlich-russischer-stellvertreterkrieg-ukraine
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/buergerkrieg-ukraine-eine-neue-weltpolitische-konfrontation
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/minsker-abkommen
Ein Spannungsverhältnis zwischen dem „Selbstbestimmungsrecht der Völker und der territorialen Integrität der Staaten“?
Zur angesprochenen Sache, zur russisch-affinenen Bevölkerung in der Ostukraine noch ein Hinweis; stammt aus einem Blog eines „Schweizers in Moskau“, teilweise durchaus informativ.
„Selbstbestimmung der Völker – der Westen biegt das Recht nach Gutdünken
Die Bevölkerung der Krim schloss sich im Februar 2014 Russland an; im April 2014 erklärten sich die Bevölkerungen von Donetsk und Lugansk unabhängig und im September 2022 schlossen sich nach vom Westen als Scheinreferenden bezeichneten Abstimmungen Cherson, Saporischschja, Donetsk und Lugansk Russland an. Welche Grundsätze des Völkerrechts prallen da aufeinander? Warum befürwortete der Westen die Sezession des Kosovo problemlos und verhöhnt Russland beim gleichen juristischen Sachverhalt … “
https://voicefromrussia.ch/selbstbestimmung-der-volker-der-westen-biegt-das-recht-nach-gutdunken/
Ukrainischer Bunker voller NATO-Offiziere zerstört – Schweigen im Westen
Der erwähnte Blog ortet ein „Spannungsverhältnis“, ich mache es mir wieder mal leicht: Der Westen hat die Abspaltung und Annexion der Krim nie anerkannt; berufen hat man sich auf die „Territoriale Integrität“ und die „Souveränität“ der Ukraine. Der westliche Politiker hat bekanntlich, wenn es um Grenzen und Grenzänderungen geht, gleich zwei höchste „Werte“, die je nach außenpolitischem Bedarf aus der Hosentasche gezogen werden. Der andere Wert neben der territorialen Integrität wäre das „Selbstbestimmungsrecht des Volkes“. Das plakative, immer aktuelle Beispiel ist die österreichische Umgebung, nämlich das ehemalige Jugoslawien und Serbien: Damals war die „Territoriale Integrität“ Jugoslawiens nichtig und das „Selbstbestimmungsrecht“ der Teilvölker war heilig, so wie auch beim Kosovo im Verhältnis zu Serbien; bei der ehemaligen Jugo-Teilrepublik Bosnien-Herzegowina ausgerechnet innerhalb der ehemaligen innerjugoslawischen Grenzen ist es genau umgekehrt: Deren territoriale Integrität ist heilig, und das Selbstbestimmungsrecht der dortigen serbischen Volksgruppe gilt nichts. Genau so wenig wie das entsprechende Bedürfnis der Serben im Norden des Kosovo. Das „Selbstbestimmungsrecht“ in diesem Sinn ist ein Instrument des Westens, nach dem klassischen Muster „divide et impera.“ Dass für russisch-affine Bevölkerungsteile in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion das westliche „Selbstbestimmungsrecht“ nix gut ist, versteht sich da von selbst.
… und ein neuer Stern am Ost-Horizont!
Wieder mal: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge“ (Heraklit)
Zumindest soll er der Vater eines neuen, mächtigen, Europa dominierenden Polen werden. Vor etlichen Jahren, nämlich 2016, etwas mehr als zehn Jahre nach der Osterweiterung der EU und nach dem polnischen EU-Beitritt, damals also hat die polnische Elite die Ergebnisse der polnischen Beteiligung an der hochgelobten „europäischen Friedensordnung“ ziemlich verbittert bilanziert; exemplarisch der damalige Außenminister:
„‘Braucht Ihr Polen nur als Pufferzone zu Russland? Als Lieferant billiger Arbeitskräfte? Als Zulieferer und verlängerte Werkbank für große deutsche Konzerne? Oder sind wir Polen, bei allen wirtschaftlichen Größenunterschieden, ein Partner Deutschlands, zumindest bei der Lösung der Probleme in unserem Teil Europas?’ … Polen sei seit 16 Jahren Mitglied der NATO, führte Waszczykowski nun in der ‚Bild‘-Zeitung aus. Noch immer aber liege der Sicherheitsstatus seines Landes weit unter dem Westeuropas.“ “ (Waszczykowski, Spiegel Online, 4.1.16) zit. nach
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/noch-ist-polen-schon-wieder-nicht-verloren
„Da wird unüberhörbar ein sehr grundsätzlicher Ton angeschlagen: ein gekränkter Nationalstolz sieht sich ausgenützt und erniedrigt durch Deutschland, eine hochgradig bedrohte Nation im Stich gelassen gegenüber der Gefahr aus dem Osten. Was die neue Regierung damit von Europa einklagt, ist die Einlösung historischer Rechte einer erniedrigten, beleidigten, aber wieder auferstandenen Nation.“ (ebd.)
Diese Abneigung hat sich im weiteren Verlauf zu einer hochgradig gegenseitigen gesteigert. Die Differenzen der europäischen Institutionen (v.a. Parlament und Kommission) mit der polnischen (und der ungarischen) Regierung, die mangels nationaler Erfolge das vorgegebene Mitmachen in der EU nicht mehr als ihren alternativlosen Erfolgsweg anerkennen und praktizieren wollten, diese Differenzen haben sich immerhin bis zu schweren Vorwürfen radikalisiert: Durch eklatante Verstöße in Bezug auf – schon wieder! – westliche Werte wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltentrennung, Unabhängigkeit der Justiz, Frauen- und Schwulenrechte, dadurch stellt sich für überzeugte Europäer schön langsam die Frage, ob diese „Populisten“ da drüben überhaupt noch zu „unserem“ Europa passen würden. Drohungen, die nationalen Eigenmächtigkeiten im Osten durch die erpresserische Handhabung der europäischen Gelder und / oder durch den Entzug von Stimmrechten wieder einzufangen, haben im EU-Parlament schon erste institutionelle Schritte hinter sich.
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/eu-ihre-renitenten-zoeglinge-europaeischen-osten
Im Lichte dieser polnischen Unzufriedenheiten und Ambitionen wird der nunmehrige Krieg geradezu als ein Geschenk des Himmels begriffen – an den in Polen bekanntlich fest geglaubt wird. Da wird immerhin ein Umsturz innerhalb Europas anvisiert. Der ORF berichtet:
„Polen misst sich mit ‘altem Europa’. Der Ukraine-Krieg hat den Ländern im Osten der EU mehr Gehör verschafft. Vor allem Polen, das bevölkerungsreichste Land der Region, positioniert sich als Gegengewicht zum ‘alten Europa’. … ‘Das alte Europa glaubte an ein Abkommen mit Russland und das alte Europa scheiterte. Aber es gibt ein neues Europa, ein Europa, das sich daran erinnert, was russischer Kommunismus war. Und Polen ist der Anführer dieses neuen Europas’, sagte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki im April bei einem Besuch im Weißen Haus. Gegen Regierungschefs aus Westeuropa teilte Morawiecki indirekt Spitzen aus. Sich selbst scheint er als Gegenmodell zu Frankreichs Emmanuel Macron und Deutschlands Olaf Scholz zu positionieren.“ (https://orf.at/stories/3313301/)
Da schau, ein Abkommen mit Russland auf der Basis wechselseitiger Anerkennung kommt also nicht mehr in Frage? Mal abgesehen davon, dass aus russischer Sicht ein Abkommen ohnehin das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt wird – remember Minsk! –, bleibt dann nur noch das Diktat eines Siegfriedens. Die aufgewärmte Erinnerung an den verblichenen Kommunismus untermauert dabei höchstens, dass heutzutage die pure imperialistische Machtkonkurrenz die Tagesordnung bestimmt, von einem Systemgegensatz kann schließlich keine Rede mehr sein. Wie will Polen nun gewinnen? Die „junge Welt“ vom 14. April notiert:
„Polen setzt auf Spannung. Polen will in den nächsten Jahren ‘die stärksten Landstreitkräfte Europas’ aufbauen. Das sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Dienstag (Ortszeit) bei seinem Besuch in Washington. Schon gebe Polen fürs Militär vier Prozent des Sozialprodukts aus und damit mindestens doppelt soviel, wie die NATO von ihren Mitgliedern verlangt. Morawiecki rühmte sich, das Militärbudget des Landes innerhalb von zwei Jahren verdoppelt und seit dem Regierungsantritt der ‘Vereinigten Rechten’ 2015 sogar verdreifacht zu haben. … Morawieckis Besuch in Washington war auch eine Beschwörung unverbrüchlicher Freundschaft mit den USA. Polen könne immer auf ‘Amerika’ rechnen und dieses immer auf Polen. Beide Länder seien ‘die beiden Pole der westlichen Sicherheitsordnung’ … Für Polen nahm er in Anspruch, die Führungsnation des ‘neuen Europas’ zu sein, das im Unterschied zum durch den Ukraine-Krieg blamierten ‘alten Europa’ wisse, was der ‘russische Kommunismus’ bedeute und sich deshalb nie Illusionen über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit Russland gemacht habe.
Polens Regierung rechnet offenkundig damit, dass die Spannung in Osteuropa die nächsten Jahre anhalten wird, und sie leitet daraus eine Chance für die politische und strategische Aufwertung des Landes im Rahmen des Bündnissystems der USA ab. … 250 Exemplare vom neuesten Modell des US-amerikanischen ‘Abrams’-Panzers bestellt, sondern auch noch etwa 120 von einem älteren Typ, der den Vorteil hat, schneller lieferbar zu sein. … Jagdflugzeuge vom Typ F-35 … Polen hat für umgerechnet 4,5 Milliarden Euro 32 dieser Maschinen bestellt … Die Regierung in Warschau hofft, dazu auch die flugzeuggestützten Raketen des Typs JASSM-XR zu bekommen, die eine Reichweite von bis zu 1.800 Kilometern haben und damit potentiell Moskau treffen können. Ob die USA freilich bereit sind, diese zu liefern, ist noch offen. Weiter strebte Morawiecki an, in Polen zentrale Elemente der Logistik für den Ukraine-Krieg zu etablieren: ein Wartungszentrum für ‘Abrams’-Panzer für ganz Europa, ein ebensolches für die F-35 sowie eine Produktion von panzerbrechender Munition mit krebserzeugendem abgereichertem Uran.“ (https://www.jungewelt.de/artikel/448773.kriegskurs-polen-setzt-auf-spannung.html?sstr=polen)
Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Aber erst nach dem Sieg.