Kulturkampf für den Backlash (2)

Podcast
Kein Kommentar
  • Kulturkampf für Backlash
    23:42
audio
24:37 min
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 5)
audio
23:32 min
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 4)
audio
22:53 min
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 3)
audio
23:04 min
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 2)
audio
23:49 min
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 1)
audio
24:29 min
Linker Nationalismus heute – so bescheuert wie damals
audio
24:57 min
Antworten auf die FPÖ (Teil II)
audio
22:57 min
Linke und andere Antworten auf die FPÖ
audio
23:07 min
Zum prognostizierten Erfolg der FPÖ
audio
22:56 min
Nationale Identität im richtigen Leben

Ein Kulturkampf für den Backlash (2)
Erstmals seit Jahrzehnten erlebe man europaweit einen gesellschaftlichen Backlash, angetrieben von Ländern wie Ungarn und Polen, bedauerte Shetty. (Abg. zum Nationalrat, NEOS)

Wiederholung der Einleitung:

Der Backlash grassiert nicht nur in Europa: In Teilen der USA ist die Abtreibung de facto verboten, ebenso wie in Polen, dort ist neulich angeblich wieder eine Frau gestorben, weil die Abtreibung verweigert wurde. (https://www.derstandard.at/story/3000000174261/tod-einer-schwangeren-bei-krankenhausbehandlung-empoert-polen)

Im Koalitionsabkommen von ÖVP und FPÖ 2023 in Salzburg erregt ein Passus Aufmerksamkeit:
„Unsere Familien sind die Keimzelle der Gesellschaft, sie gezielt zu fördern und ihre Vielfältigkeit bestmöglich zu unterstützen und zu stärken ist unser Ziel. … Wir werden eine Informationskampagne des Landes zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaft sowie zu Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch ausarbeiten. Zielführend wäre auch eine anonymisierte Studie, die das Alter der Frauen sowie auch die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche aufzeigt, um das Beratungsangebot anpassen zu können.“ (Regierungsübereinkommen)
Völlig zurecht vermuten Kritiker, dass so eine „Studie“ die Voraussetzung schaffen soll, um die „aufgezeigten Gründe“ in mehr oder weniger gerechtfertigte zu sortieren.

In Wien erregen Dragqueens Aufsehen – hauptsächlich bei der FPÖ; die startet eine Kampagne gegen eine Lesung einer Dragqueen vor Kindern; ein SPÖ-Abgeordneter will eine Führung durch das Parlament gemeinsam mit einer solchen veranstalten, die FPÖ ist dagegen. Überschrift: „Rechtsextreme machen Stimmung gegen den Pride Month.“ (Standard 5.6.2023)

2021 eine Reform in Ungarn – das EU-Parlament und westeuropäische Regierungen protestieren:
„Präsident János Áder hat Ungarns ‘Anti-Pädophilen-Gesetz’ unterschrieben“ es soll „die verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz von Minderjährigen“ erweitern. Das geht so: „Das geänderte Gesetz schützt Minderjährige, indem es den Zugang zu Pornografie und Inhalten verbietet, die Sexualität um ihrer selbst willen, Homosexualität und Geschlechtsumwandlung fördern.“
(https://ungarnheute.hu/news/praesident-ader-unterzeichnet-anti-paedophilen-gesetz-38717/)
„Das Recht des ungarischen Parlaments, Schulkinder vor der Beschäftigung mit der homosexuellen Problematik gesetzlich zu schützen ist evident und unbezweifelbar“ sagte Andrzej Przylebski (Polnischer Botschafter in Deutschland).
(https://ungarnheute.hu/news/polnischer-botschafter-in-deutschland-verteidigt-ungarns-umstrittenes-gesetz-87838/)

Wohlgemerkt, dieses „Anti-Pädophilen-Gesetz“ zum Schutz von Kindern vor der Beschäftigung mit der „homosexuellen Problematik“ soll Kinder davor „schützen“, überhaupt zu wissen, dass es homosexuelle Orientierungen und Transgender-Personen gibt, weil, wie der polnische Botschafter so schön formuliert, Homosexualität eine Problematik ist, die mit einem Anti-Pädophilen-Gesetz beantwortet gehört. Nicht die Anfeindungen, die Schwule erfahren, wenn sie politisch mit Pädophilie identifiziert werden, sind das Problem – sie sind es. Desgleichen gehören Kinder vor Pornografie geschützt bzw. vor Inhalten, die Sexualität um ihrer selbst willen fördern. Sexualität nicht um ihrer selbst willen – aha! Offenbar Zustände wie im Katholizismus.

Vergangene Woche hat der Senat des US-Bundesstaats Florida ein umstrittenes Gesetz verabschiedet: Es verbietet den lehrplanmäßigen Unterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität bei Kindern vom Kindergarten bis zur dritten Klasse. Auch gegenüber älteren Kindern und Jugendlichen sollen Lehrer nicht in einer ‘dem Alter von Schülern unangemessenen Art’ über diese Themen sprechen. … Die Republikaner wollen, so sagen sie, Kinder auf diese Weise vor Themen schützen, die sie nicht verarbeiten könnten – und sie wollen die Rechte von Eltern stärken. Diese können Schulen nämlich jetzt auch verklagen, wenn die sich nicht an ‘Parental Rights in Education’ halten – so passenderweise der Name des neuen Gesetzes. …
Bekannter ist es allerdings unter dem Namen ‘Don’t Say Gay’. Gegner und Aktivisten haben es so betitelt.“
(DW 20.3.2023)
(https://www.dw.com/de/dont-say-gay-gesetz-in-florida-wenn-sexualit%C3%A4t-in-der-schule-tabuthema-wird/a-61178673)

Dort, wo in der Schule das gesellschaftlich erwünschte, politisch approbierte Wissen vorgetragen wird – in etwa die offiziell erforderlichen Kenntnisse, um sich halbwegs zurechtzufinden –, dort sollen homosexuelle Menschen nicht vorkommen, vom Radar verschwinden, totgeschwiegen werden. Zumindest in dem für eine bestimmte Altersgruppe gültigen Weltbild. Die Abneigung der Gesetzgeber in Florida gegenüber Homosexuellen, die wird, wie schon in Ungarn, auf die lieben Kleinen projiziert, deren – von Natur aus? – homophobes Weltbild durch unschickliche Informationen schwer devastiert werden könnte. (https://orf.at/stories/3317856/)

Giorgia Meloni setzt ihre Vorstellungen zur Gesellschaftspolitik um: Alles, was nicht der ‘natürlichen Familie’ entspricht, wird diskriminiert oder kriminalisiert.
… Italienische Paare, die selber kein Kind bekommen können und sich deshalb im Ausland an eine Leihmutter wenden, müssen künftig mit Strafen zwischen 600.000 und einer Million Euro und mit Gefängnisstrafen zwischen zwei Monaten und drei Jahren rechnen. Dies sieht ein Gesetz vor, das im italienischen Parlament am Mittwoch die erste Hürde genommen hat und voraussichtlich noch in diesem Monat definitiv verabschiedet wird. … Leihmutterschaften, muss man dazu wissen, sind in Italien seit 2005 verboten. Wer es sich finanziell leisten kann, geht deshalb ins Ausland, etwa nach Kanada, in die USA oder in die Ukraine, wo die Praxis erlaubt ist. Das sind nur wenige Hundert Paare pro Jahr, aber genug, um die italienische Rechte in Rage zu bringen. Damit die im Ausland begangene Straftat der ‘Gebärmuttervermietung’ auch in Italien geahndet werden kann, erklärt die Regierung die Praxis in ihrem neuen Gesetz kurzerhand zum ‘universellen Delikt’ – also zu einer Straftat, die nach dem sogenannten Weltrechtsgrundsatz auch dann im Inland geahndet werden kann, wenn sie im Ausland begangen wurde. Bei ‘universellen Delikten’ handelt es sich in der Regel um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Italien zählen bisher unter anderem Völkermord und Terrorismus dazu.“ (Standard 2.6.2023)
(https://www.derstandard.at/story/3000000172765/rom-faehrt-in-der-familienpolitik-mit-voller-kraft-rueckwaerts)

Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht“, heißt es im Kommunistischen Manifest. Die Bourgeoisie hätte „kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen, als das nackte Interesse, als die gefühllose ‘bare Zahlung’.“ Genau das kann Frau Meloni nicht dulden: Die heilige Mutterschaft darf nicht zum Gegenstand von Kommerz und Mammon herabsinken – falls doch, hat dergleichen in Italien inzwischen einen Stellenwert wie „Völkermord und Terrorismus“.

Im Kulturkampf hilft es m.E. auch nichts, auf harmlos zu machen oder sich naiv zu stellen, durch die Beteuerung, dass Schwule ohnehin niemandem was tun, und auch LGBTQ-Personen zusammenleben und füreinander Pflichten übernehmen können:

Wir sind schon sehr gefährlich für die Gesellschaft.
Zwei Männer, die sich seit vielen Jahren lieben und zusammenleben. Gestern haben wir abends gekocht (omg) und waren am Nachmittag eine Runde laufen (was, nein!!!) und am Samstag einen Wocheneinkauf gemacht (wtf!) beim Spar (solche Bonzen!). Von Montag bis Freitag arbeiten wir sogar Vollzeit (hilfe!) und zahlen sehr viele Steuern (gibts nicht!!!). Manchmal gönnen wir uns einen Urlaub (neiiin!!!) oder gehen ins Kino (igitt!). Wir fahren mit der Straßenbahn (:O) und der Ubahn (:´|) und treffen unsere Freunde (oh no). Wir sind so gefährlich, ich packs nicht.“ (Ein Posting im Standard vom 5.6.2023) (https://www.derstandard.at/story/3000000173105/wie-rechtsextreme-gegen-den-pride-month-stimmung-machen)

Nur, darum geht es dem rechten Kulturkampf offenbar nicht. Und es hilft auch nichts, den Wert von LGBTQ-Familien als ein auch gesunder Teil der Gesellschaft zu betonen:

Brandon Wolf von Equality Florida, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, Transgender- und queeren Menschen einsetzt, kritisiert im DW-Gespräch: ‘Es ist immer angemessen, die Existenz und den Wert von LGBTQ-Familien anzuerkennen – und dass wir ein normaler, gesunder Teil der Gesellschaft sind.‘“ (DW 20.3.2023)
(https://www.dw.com/de/dont-say-gay-gesetz-in-florida-wenn-sexualit%C3%A4t-in-der-schule-tabuthema-wird/a-61178673)

Offenbar wissen Teile der Betroffenen wirklich nicht, worum es im Kulturkampf geht.

Gerade die Missachtung der Natur …

Die Kunst, das politisch Erwünschte als die ureigene Sehnsucht bzw. gleich die „naturgegebene“ Bestimmung der Beteiligten auszugeben bzw. zu fingieren, und abweichende Bedürfnisse als Irrtum oder Manipulation oder Schlimmeres zu attackieren, die beherrscht auch eine andere, literarisch ambitionierte Variante der freiheitlichen Familien- und Geschlechterwissenschaft, samt einer Konkretisierung der „biologischen Determiniertheit“, nämlich in die Richtung „Familienoberhaupt“ bzw. „Brutpflegerin“:

Das Kind braucht die Geborgenheit der Familie. Deren Säulen sind Vater und Mutter als positives männliches und weibliches Leitbild. Beide wurden in diesem Selbstverständnis durch die mutwillige Abtragung der naturgegebenen Rollenbilder zutiefst verunsichert. Ihre Desorientierung führt zu Beziehungen auf Zeit, weil das dem inneren Widerhall entsprechende Bild des jeweiligen Gegenpols nicht vorgefunden wird. Der vom Thron des Familienoberhaupts gestoßene Mann sehnt sich unverändert nach einer Partnerin, die, trotz hipper den-Mädels-gehört-die-Welt-Journale, in häuslichen Kategorien zu denken imstande ist, deren Brutpflegetrieb auferlegte Selbstverwirklichungsambitionen überragt. Die von feministischem Dekonstruktionsehrgeiz zur selbstverwirklichungsverpflichteten Geburtsscheinmutter umdefinierte Frau sehnt sich unverändert nach einem ganzen Kerl, der ihr alle die emotionalen und ökonomischen Sicherheiten gibt, die eine junge Mutter braucht, um sich mit weitgehend sorgloser Hingabe dem Nachwuchs zuwenden zu können. Beider Sehnsucht erfüllt sich nicht.“ (Michael Howanietz: Für ein freies Österreich. Souveränität als Zukunftsmodell. Wien 2013. S. 32, Herausgeber: Norbert Hofer, das Copyright liegt beim Freiheitlichen Parlamentsklub) Ein link: https://wklingenbeck.files.wordpress.com/2016/09/fc3bcr-ein-freies-c3b6sterreich-souverc3a4nitc3a4t-als-zukunftsmodell.pdf

Eine wie auch immer geartete diskussionswürdige Kritik an der Familie und an der Rollenverteilung nach den von der FPÖ entdeckten Naturgesetzen kann es nicht geben. Es handelt sich also um „mutwillige Abtragung“, um „Desorientierung“, auf keinen Fall um frei gewählte, sondern unbedingt um „auferlegte Selbstverwirklichungsambitionen“ und böswilligen „Dekonstruktionsehrgeiz“, um „selbstverwirklichungsverpflichtete umdefinierte Frauen“ etc. usw. Die „Desorientierung“ führt zur „Beziehung auf Zeit“ – weil zu einer ordentlichen Orientierung auch der unerschütterliche Wille zum Durchhalten gehört, nicht? Eine klitzekleine Frage stellt sich schon: Wenn der „vom Thron gestoßene ganze Kerl“ ohnehin die Sehnsucht der „jungen Mutter“ nach „emotionalen und ökonomischen Sicherheiten“ erfüllt, nach deren „Häuslichkeit“ er sich immer schon gesehnt hat, damit er ihr ermöglicht, ihren „Brutpflegetrieb“ auszuleben – warum um Himmels willen finden sich die beiden füreinander Bestimmten nicht? Sind die beiden so leicht gegen ihre eigene Natur manipulierbar? Und warum eröffnet der FPÖ-Parlamentsklub nicht endlich eine Heiratsvermittlungsagentur, damit das Leid ein End’ hat?

Die Natur bietet eben die bloße Möglichkeit zur Fortpflanzung, sie hat nicht die diesbezügliche Notwendigkeit einbeschrieben; beim heutigen Stand der Verhütungsmittel schon gleich. Auch für das, was nach der Geburt kommt in Sachen Kinderbetreuung, da schreibt die Biologie den allfälligen Beteiligten nichts vor, den „Brutpflegetrieb“ können die freiheitlichen Naturkundler vielleicht bei dem einen oder andern Viehzeug beobachten, aber Menschen sind halt keine Kaiserpinguine. Doch in jener anderen freiheitlichen Welt irgendwie schon:

Das Mädchen muß in einer Welt bestehen, die von Männern konzipiert wurde und männliche Lösungskompetenz braucht, um in ihr zu reüssieren. Der Junge kommt aus pastellrosa gefärbten Erziehungsbetrieben und hat, zwischen Innenausrichtung, Passivität und Problemlösung durch Sitzkreis und Kuschelkurs, nie gelernt, maskuline Prinzipien wie Abgrenzung, Außenausrichtung oder Durchsetzung zu artikulieren. Als Ventil, dies doch zu tun, bleiben ihm oftmals nur gruppendynamische Aufarbeitungsprozesse, die sich in mißverständlich für besonders männlich erachteten Ersatzhandlungen wie etwa Gewalttätigkeiten entfalten. Das betrogene Ich, ob es um seine weibliche oder männliche Seite gebracht wurde, holt sich zurück, was ihm gesellschaftliche Ab-Normen genommen haben. Es rächt sich im schlimmsten Fall, der jeweiligen Fehlpolung gemäß, durch Frauen- oder Männerhaß, durch Kindesmißhandlung oder ein generell amoklaufendes Aggressionsverhalten. Die Vorbeter der Pseudofreiheitsideologie, die sich hinter den sogenannten Gender-Aktivitäten verbirgt, verkünden, man tue Kindern Gewalt an, ‘zwinge’ man sie zur Entfaltung ihres Wesens gemäß ihres biologischen Geschlechts. Vermutlich stehen diese Zerstörungsprediger auch auf dem Standpunkt, die Natur tue uns Gewalt an, indem sie uns, im Normalfall, mit zehn Fingern und zehn Zehen in die Welt schickt. … Will der Mensch überleben, muß er sich fortpflanzen. Dazu hat Mutter Natur Menschen zweierlei Geschlechts geschaffen. Es tut also niemand einem Kind Gewalt an, der den Buben Burschen und das Mädchen Mädel sein läßt. Es verwüstet aber Kinderseelen, der einem Kind das naturgefügte Geschlecht abtrainieren will.“ (Freies Östereich S. 113f)

… beweist das Naturgesetz!

Die Ableitung der erwünschten Geschlechterrollen aus der Natur noch einmal in den Einzelheiten: Die Fortpflanzung ist „dem Menschen“, also im Prinzip jedem, von der Natur auferlegt, indem es doch zwei verschiedene Geschlechter gibt! Die Natur, als eigenständiges Subjekt, als eine „aparte Person“ vorgestellt, hat sich viel dabei gedacht, und deswegen den Menschen nicht nur Zehen, Finger und ein Herz mitgegeben, sondern mit den zwei Geschlechtern gleich Aufträge erteilt, an denen es genau so wenig zu rütteln und zu deuteln gibt, wie an der erwähnten organischen Ausstattung. Die Erinnerung an die „zehn Finger“ hätte den Autor übrigens gedanklich echt weiterbringen können – die schreiben dem Menschen, der an ihnen hängt, auch nicht vor, was er mit ihnen macht!

Das speziell abgründige an der obigen „Beweisführung“ besteht darin, dass die aufgelisteten Varianten der Abwesenheit des angeblich natur- und artgerechten Verhaltens als Beweise herhalten müssen – als Beweise für das Gegenteil, nämlich für die Geltung der vermissten freiheitlichen Pseudo-Naturgesetze. Der Autor hat schon Kenntnis davon, was herauskommen kann, wenn in den üblichen Glücks- und Familienidealen befangene Leute einander wechselseitig für die unvermeidlichen Enttäuschungen zur Verantwortung ziehen: „Gewalttätigkeiten, Frauen- oder Männerhaß, Kindesmißhandlung, ein generell amoklaufendes Aggressionsverhalten“ usw. Nichts ist in Ordnung im Verhältnis der Geschlechter, überall Abweichung und Fehlverhalten – und gerade dadurch soll die unbezweifelbare Geltung der von der Natur selbst erlassenen Ordnung zwingend belegt sein! Wie das?

Da meldet sich eben die frustrierte freiheitliche Sehnsucht nach einem Verhalten, das wie beim lieben Vieh im Grunde genommen per Instinkt festgelegt ist – aber leider nur, wenn sich die Beteiligten auch danach richten würden! Wenn Buben-Bursch und Mädchen-Mädel auf die Natur hören würden und dadurch wüssten, was sie zu tun hätten, dann könnten sie gar nicht an ihren „Rollen“ zweifeln, dann könnten sie dabei nicht skeptisch oder gar unzufrieden werden, dann würden sie einfach ihren Teil erledigen und sich auch noch gut fühlen, in der Beherzigung dessen, was ohnehin gilt, weil es nun mal so ist. Wie die Graugänse! Die Vorspiegelung einer – natürlich falschen – Freiheit in der individuellen Lebensgestaltung, die These, wenigstens im Privatleben kämen die Individuen und ihre Bedürfnisse zum Zug, die kann also nur zur Verfehlung dessen führen, was die Natur so weise – und offenbar so ohnmächtig – im Interesse der Nation angeordnet hat.

Die hier nicht als Folge der Familie, sondern als Folge der „Gender“-Verwirrung interpretierte „häusliche Gewalt“ kennt die FPÖ also durchaus, aber die „Wegweisung“ etwa, durch die ein prügelndes Haushaltsmitglied mit einem Betretungsverbot belegt wird, die wird im „Freiheitlichen Handbuch“ sehr charakteristisch gewürdigt, indem das Recht auf diese „Wegweisung“ des Schlägers aus dem gemeinsamen Haushalt in seiner ganzen Problematik beleuchtet wird:

Die Wegweisung ist ein zu befürwortendes Mittel, um akute Konflikt- und Gewaltsituationen rasch zu beenden. Es stellt damit eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen Gewalt in der Familie dar. Leider wird diese Möglichkeit jedoch von Frauen in extremen Gewaltbeziehungen zu wenig genutzt. Auf der anderen Seite lädt die Wegweisung auch zu Missbrauch ein, der mittlerweile nicht negiert werden kann. Daher treten wir für einen zeitlichen Rückbau des missbrauchsanfälligen Wegweisungsrechts ein. … Die Wegweisung wirkt als Präjudiz bei Folgeverfahren auf Scheidung, Obsorge und Besuchsrecht.“ (Handbuch freiheitlicher Politik. Ein Leitfaden für Führungsfunktionäre und Mandatsträger der Freiheitlichen Partei Österreichs. Wien 4. Auflage/2013, S. 159; wird inzwischen als „vergriffen“ angezeigt:
https://www.fbi-politikschule.at/details/artikel/handbuch-freiheitlicher-politik-2/)

Die „Wegweisung“ ist ganz wichtig im Kampf gegen Gewalt in der Familie, eigentlich! Leider wird sie zu wenig genutzt von Frauen in „extremen Gewaltbeziehungen“, die dieses Recht dringend brauchen – statt dessen wird es ausgenutzt von anderen Frauen, die es dadurch missbrauchen, weil sie sich bloß scheiden lassen wollen! Da kennt sich die Partei offenbar aus, daher der Bedarf zum „Rückbau“! Eine Frau in einer wirklich „extremen Gewaltbeziehung“ schafft es deswegen vermutlich gar nicht bis zur „Wegweisung“, und diejenigen, die so eine beantragen, können also nicht so extrem unterdrückt sein – ist das gemeint?! Ähnliches gilt für das „Frauenhaus“, da handelt es sich, aus bodenständiger Sicht, wieder mal um einen Angriff auf die „Keimzelle“:

Frauenhäuser seien ein ‘Unfug der abgestellt gehört’ … Kashofer ortet eine Benachteiligung der Männer und eine Instrumentalisierung derartiger Einrichtungen. … Sie verlange daher einen Mediator, ‘der sich mit der Familie zusammensetzt und verhindert, dass hinter dem Rücken des Vaters die Familie ins Frauenhaus gebracht wird.’ … ‘Mittlerweile sind Frauenhäuser an der nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt’.“ (Kurier 18.7.2012)

[Die kernige Frau Kashofer ist angeblich nicht mehr in der FPÖ – warum bloß? Im Jahr 2019, in der Schlussphase der türkis-blauen Koalition wurde Kashofer als Mitglied der Identitären geoutet: AMSTETTEN. FP-Stadträtin Brigitte Kashofer soll laut eines Berichts des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Mitglied der rechtsextremen Identitären sein. Kashofer ist nicht die einzige FP-Funktionärin, die in der Liste ‘ausgeforschter Mitglieder’ aufscheint. Auf Nachfrage zeigte sich die Stadträtin sehr wortkarg. Ob sie Mitglied bei den Identitären ist oder nicht, sei allein ihre Sache. Wie lange sie schon Mitglied ist, wisse sie nicht. Wie der ORF berichtete, sei laut FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker mit den Betroffenen ein klärendes Gespräch geführt worden. Über Parteiausschlüsse sei jedoch kein Wort gefallen.“
(https://www.tips.at/nachrichten/amstetten/wirtschaft-politik/463388-fp-stadtraetin-brigitte-kashofer-angeblich-mitglied-der-identitaeren)
Damals haben sich freiheitliche Distanzierungsweltmeister ab und an, auf Druck von Kanzler Kurz, von den Identitären „distanziert“. Damit war es anschließend vorbei – oder auch nicht: „FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz will sich wieder den rechtsextremen Identitären annähern. Man habe während der Regierungszeit den Fehler gemacht zu glauben, ‘wir müssen in ein Rückzugsgefecht gehen und uns auf Zuruf von Sebastian Kurz distanzieren’, sagte er in einem Interview mit dem einschlägigen Magazin ‘Info Direkt’, und: ‘Mit dieser Distanziererei ist es jetzt aber definitiv vorbei.’“ (Standard 30.11.2020) Dem war aber dann doch nicht ganz so, denn Schnedlitz hat sich von dieser Distanzierung von den vorherigen Distanzierungen kurz darauf wieder – distanziert. (https://www.derstandard.at/story/2000122101943/generalsekretaer-schnedlitz-distanzierung-der-fpoe-von-identitaeren-definitiv-vorbei)]

Die entdeckte „nachhaltige Zerstörung der Ehe“ ist einfach. Bloß dadurch, dass eine geprügelte Frau eine Alternative zum Aushalten im „gemeinsamen“ Haushalt hat, also in dem Fall tatsächlich diese mickrige „Wahlfreiheit“ bekommt, und sich in einer Notsituation gerade noch absetzen kann – das zerstört die Ehe nach diesem Bild, die offenbar auf stillem Dulden und unerschütterlichem Standhalten von Frauen beruht. (Die kernige Frau Kashofer ist angeblich nicht mehr in der FPÖ – warum bloß?)

Andererseits gibt es sie doch, die ideale Familie, die dem freiheitlichen Familienbild gerecht wird, vordergründig zumindest. Wo immerhin „Mann und Frau mit gemeinsamen Kindern“ im Plural zusammenleben, und wo die Biologie und ihre angeblichen Vorgaben noch respektiert werden, indem der ganze Kerl am „Thron des Familienoberhauptes“ hockt und die von ihm persönlich abhängige Frau ihren „Brutpflegetrieb“ auslebt. Die Ablehnung homosexueller Partnerschaften – die FPÖ ist gegen die Homo-Ehe – soll in dem Umfeld auch weit verbreitet sein. Dummerweise versagt diese idealtypische Familie – mit Migrationshintergrund nämlich – notgedrungen vor der wahren Aufgabe der Keimzelle des österreichischen Staates, nämlich vor dem Fortpflanzungsdienst an der österreichischen Wurzel-Bevölkerung. Die Rassenfrage bricht auf, die Gefahr der „Umvolkung“ bzw. des „großen Austauschs“ der Bevölkerung droht!

Und mit dem völkisch geschärften Blick fallen der FPÖ an bestimmten, eigentlich idealtypischen Familien sofort gewaltige Defizite auf. Von daher muss die FPÖ auf einem Frauenbild bestehen, das die „biologische Determiniertheit“ diesmal ein wenig zurückstellt. Da entdeckt man durchaus Zwang und Unterdrückung im Verhältnis von patriarchalisch agierenden ganzen Kerlen und untergeordneten Frauen, so als hätte die Partei von Simone de Beauvoir abgeschrieben – jedenfalls völlig ohne diese eher traditionelle Variante von Familie als Ergebnis der freiheitlich geforderten weiblichen „Wahlfreiheit“ zwischen Beruf und Kindern zu würdigen, und sie als Ergebnis der „biologischen Determiniertheit“ „anzuerkennen“. Da erinnert sich die FPÖ daran, dass die moderne Frau nicht nur als Gebärmaschine, sondern auch als Lohnarbeitsbiene der Nation ihren Beitrag leisten kann und muss:

Zudem ist evident, dass Mädchen aus dem islamischen Kulturkreis nach Abschluss ihrer Pflichtschulausbildung in überdurchschnittlich vielen Fällen keine weiterführende Ausbildung erhalten und damit offenbar dauerhaft dem Arbeitsmarkt entzogen werden. Dadurch wird die weitere Zukunft der Betroffenen in den Schoß ihrer Familien gelegt, eine eigenverantwortliche Entwicklung wird erschwert, islamische Familienbilder werden zementiert. Diese Entwicklung ist durch eine gesonderte Beratung der betroffenen Mädchen und allenfalls durch das Eingreifen der Jugendwohlfahrt zu verhindern.“ (Handbuch S. 139)

Wenn es gegen Muslime geht, schafft die Partei den solidarischen Schulterschluss mit dem verhassten „Gender Mainstreaming“ und dessen zentraler Botschaft: Diese „Geschlechteridentität“ mit Migrationshintergrund ist auch aus freiheitlicher Sicht keine biologische Tatsache, sondern aufgezwungen. In dem Fall hat der Staat ordentlich durchzugreifen, um den betreffenden Familien ein anderes „Lernprogramm“ aufzuzwingen, nämlich die Orientierung auf die Berufstätigkeit – derselbe Staat, der bei Einheimischen natürlich die Vorstellungen der Eltern bezüglich der Kindererziehung zu respektieren hat.

0 Kommentare

  1. FP-Stadträtin Brigitte Kashofer soll laut eines Berichts des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Mitglied der rechtsextremen Identitären sein.

    Reply

Leave a Comment