Nehammer und ÖVP im Marxismus-Taumel

Podcast
Kein Kommentar
  • ÖVP im Marxismustaumel
    24:18
audio
24:37 Min.
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 5)
audio
23:32 Min.
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 4)
audio
22:53 Min.
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 3)
audio
23:04 Min.
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 2)
audio
23:49 Min.
Der Nationalsozialismus und seine nachträgliche Verdichtung (Teil 1)
audio
24:29 Min.
Linker Nationalismus heute – so bescheuert wie damals
audio
24:57 Min.
Antworten auf die FPÖ (Teil II)
audio
22:57 Min.
Linke und andere Antworten auf die FPÖ
audio
23:07 Min.
Zum prognostizierten Erfolg der FPÖ
audio
22:56 Min.
Nationale Identität im richtigen Leben

Die ÖVP im Marxismus-Taumel!
Nehammer und die klassenlose Gesellschaft

Die ÖVP speziell in Wien führt eine Kampagne gegen den „Marxismus“ bzw. gegen das, was sie dafür ausgibt. Der Bundeskanzler hat allerdings schon vor der Wahl von Andres Babler zum SPÖ-Vorsitzenden der Sache nach eine Marxismus-Debatte losgetreten, was seine Führungsqualitäten beweist; der Kanzler hatte da einen oder zwei Geistesblitze, die man ihm nicht zugetraut hätte! Andere haben nicht gut zugehört, und vom „Benzinbruder“ Nehammer hauptsächlich erfahren, Österreich sei ein „Autoland“. Wovon ist hier die Rede? Von der „Rede zur Zukunft der Nation“ am 10. März 2023. (Transkript in der Zeitung „Österreich“)

Nehammer klärt auf:
Erwerb von „Eigentum“ eigentlich kaum möglich! Für Arme.

„Und doch ist eines der wichtigsten Grundbedürfnisse, das wonach wir alle streben, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, das Wohnen. Und da ist aus meiner Sicht eine Entwicklung in Österreich eingetreten, dass Wohnen heute fast nur noch ausschließlich als Mieten verstanden wird. Aber wo ist die Frage des Eigentums?“ (Nehammer, Rede am 10. März 2023)
https://www.oe24.at/oesterreich/zum-nachlesen-das-volle-transkript-der-rede-zur-zukunft-der-nation/548290049

In der Tat, wir alle brauchen ein Dach über dem Kopf! Andererseits eine blöde Frage, irgendwie! – „Aber wo ist die Frage des Eigentums?“ – Denn das Eigentum ist gar keine Frage, es gehört dem Vermieter; da ist es, und da war das Eigentum immer. Der Vermieter (Firma oder Individuum) ist derjenige, der die Miete kassiert, die der Mieter abdrückt. Nehammer ist damit nicht zufrieden:

„Und wenn man sich das kritisch anschaut, dann kommt man zum Befund, es gibt drei Möglichkeiten in Österreich, Eigentum zu erwerben. Das eine ist über die Erbschaft, das andere, mit Glück, über den Lottogewinn, und das dritte, schon strukturierter, über den Bankkredit.“

Putzig, diese drei Möglichkeiten des Erwerbs; die ersten zwei sind gar keine Möglichkeiten des Erwerbs, bei der Erbschaft erwirbt man nichts, sondern man kriegt was übertragen auf Basis der Verwandtschaft; im Lotto braucht man Glück. Bleibt die dritte, sie geht nur über den Bankkredit, weil ein normaler Mensch aus dem laufenden Einkommen natürlich nie eine Wohnung erwerben kann. (Eigentum wird von Nehammer hier mit Eigenheim gleichgesetzt. Wie auch immer:) Was läuft da mit dem Kredit? Kleiner Exkurs:

Die Bank „hilft“ dem Interessenten beim Erwerb, indem dessen Sparen durch Konsumverzicht quasi nach hinten verschoben wird, weil klar ist, wenn der Aspirant vorher sparen müsste, um sich von den Ersparnissen anschließend die Wohnung zu kaufen – da könnte ein normaler Einkommensbezieher nie genug auf die Seite legen, weil er die Einschränkungen beim Konsumverzicht nicht durchhalten würde. Für ihre „Hilfe“ verlangt die Bank natürlich ein Entgelt, einen Zins, um den Kreditnehmer ordentlich zur Disziplin bei der Tilgung durch nachträgliches Sparen, durch nachträglichen Konsumverzicht zu zwingen; und diese 30jährige Lebensabschnittspartnerschaft mit der Bank, die birgt spannende Momente, wenn die Zinsen mal wieder steigen, so wie jetzt. (Angeblich ca. die Hälfte dieser Kredite in Österreich ist variabel verzinst. Eine Zinserhöhung von 2 auf 4 % verdoppelt die Zinsbelastung.) Außerdem ist der Kunde mit Rechnungen und Restriktionen konfrontiert, die außerhalb seiner Reichweite angesiedelt sind, wesentlich die Zinshöhe. Nehammer hat ein Problembewusstsein:

„Aber da (gemeint: beim Kredit) wird es schon schwierig durch neue Vorgaben aus der EU und durch neue Regelungen der Finanzmarktaufsicht.“

Falsch; schwierig wird es durch die Armut dieser Kreditnehmer, weil zum Kredit natürlich die Prüfung der Kreditwürdigkeit gehört. Darauf beziehen sich die Vorgaben der EU und die Regelungen der Finanzmarktaufsicht, auch in Erinnerung daran, dass die „Finanzkrise“ ab 2007 zum Zusammenbruch des US-Hypothekenmarktes, zu ein paar Millionen Obdachlosen, zu den Bankenpleiten und zur „Staatsschuldenkrise“ geführt hat. Damals wurden die Banken im Nachhinein für ihren Leichtsinn kritisiert, nämlich einer viel zu armen Kundschaft Kredit gewährt zu haben, einer Kundschaft, die dem Zins dann doch nicht gewachsen war.

Man kann dem entnehmen, es gibt zwei Arten Kredit : Einmal ist da der kommerzielle Kredit, der wird investiert, und der wird aus den Rückflüssen der Investition bedient – dieser Kredit finanziert sich durch seine Verwendung, durch die dadurch erzielten Erträge finanziert er sich sozusagen selbst, zahlt sich selbst zurück, indem er Geld einspielt! Die zweite Variante wäre der Konsumentenkredit – „etwa um ein Haus zu kaufen, in den Urlaub zu fahren (!) oder teure Anschaffungen zu tätigen“ (Kurier 7.7.2023) – der nicht investiert wird, und der daher aus einer anderen Geldquelle bedient werden muss. Nicht durch diesen Kredit und mit diesem Kredit wird was verdient, sondern es muss woanders etwas verdient werden, um sich den Kredit überhaupt leisten zu können – darauf bezieht sich die Finanzmarktaufsicht, das macht die Kreditwürdigkeit des Einkommensbeziehers so peinlich zum Thema. Nehammer hat übrigens herausgefunden, dass ein Eigentumserwerb allein aus eigener Kraft, und jenseits von Erbschaft und Lottogewinn eigentlich unmöglich ist, weswegen er in der erwähnten Rede mehr staatliche Unterstützung durch mehr „Wohnbauförderung“ propagiert. Mehr Staat, weil privat nichts geht …

Unterstellt ist dabei auch, es gibt zwei Sorten von Eigentum, und ein Eigenheim ist eine mangelhafte Variante von Eigentum; denn Eigentum, das diesen Namen verdient, das schließt ein, dass es etwas abwirft, dass man vom Eigentum leben kann, und nicht für das Eigentum leben und verzichten muss. Ein Zinshaus, das ist Wohnungseigentum, es wirft einen Ertrag ab, den der Mieter bedienen muss! Richtiges Eigentum wirft etwas ab, und eine Eigentumswohnung, die bloß als eigenes „Dach über dem Kopf“ bewohnt ist, leistet das nun einmal nicht!

[„Zwischen 2010 und 2022 stiegen die Immobilienpreise in Österreich um 116 Prozent, haben sich also mehr als verdoppelt. Die mittlere Nettoentlohnung eines Vollzeitbeschäftigten legte dagegen nur um 32 Prozent zu. Das mittlere Jahreseinkommen für Vollzeitbeschäftigte liegt aktuell bei etwas über 33.000 Euro. Unter Annahme, dass diese Person etwa 2900 Euro im Jahr wegsparen kann, würde es bei zwei Prozent Zinsen 62 Jahre dauern, bis sie eine Immobilie mit 80 Quadratmetern kaufen könnte. … Die große Frage ist, was darauf folgt. Sofern man nicht der Ansicht ist, dass mehr Immobilieneigentum eine Gesellschaft besser macht, folgt daraus natürlich gar nichts.“ (Standard 23.6.23)]

Nehammer propagiert:
Besitz für alle! Aber
wer soll dann arbeiten?

Warum ist das für Nehammer wichtig? Sein Geistesblitz in der erwähnten Rede geht der Sache nach auf die aktuelle Marxismusdebatte, und das, wie erwähnt, noch vor der Wahl von Andreas Babler zum SPÖ-Chef!

„Und dennoch“ – „dennoch“ bezieht sich auf die Unmöglichkeit des Erwerbs – „ist Eigentum so wichtig für die Menschen, weil wir längst die Diskussion überwinden müssen, ich habe sie jetzt erst unlängst wieder gehört und war verblüfft, dass die so noch geführt wird, dass nämlich von der besitzenden Klasse und der nichtbesitzenden Klasse gesprochen wird. … Aber weil ich vorher schon davon gesprochen habe, mein Ziel ist es, dass alle Österreicherinnen und Österreicher zur besitzenden Klasse gehören, als wie zu der nicht besitzenden. Ich will, dass das wieder möglich wird und wir uns nachher auch wieder begegnen und sagen können, 2030 ist deutlich mehr passiert, dass Österreich wieder ein Land der Eigentümerinnen und Eigentümer wird, und auch dazu braucht es einen Plan und Maßnahmen …“

Eigentum ist wichtig, Nehammer möchte, dass alle – zumindest „alle Österreicherinnen und Österreicher“, Ausländer nicht? – zur besitzenden Klasse gehören! Das hat er allerdings nicht ganz zu Ende gedacht, denn – wer soll denn dann noch arbeiten? Wer soll denn hackeln, wenn alle zur „besitzenden Klasse“ gehören, und demzufolge vom Besitz leben?

Mal rein terminologisch: Eine „Klasse“ ist ein Teil einer Menge, in dem Fall ein Teil einer Gesellschaft; die Bezeichnung führt sich ad absurdum, wann alle dazugehören. Oder doch nicht? Nehammer träumt auch von der klassenlosen Gesellschaft! Das ist es! Daschauher!

Mal sachlich: Die besitzende Klasse heißt so und zeichnet sich dadurch aus, dass sie von ihrem Besitz lebt – während die arbeitende Klasse für die besitzende Klasse arbeiten muss, und dementsprechend prekär von ihrer Arbeit leben muss. Die „Arbeit“ der besitzenden Klasse besteht höchstens darin, ihren Besitz zu bewirtschaften, darin eingeschlossen, die arbeitende Klasse für sich arbeiten zu lassen, darum heißt die so. In Österreich ist die besitzende Klasse üblicherweise auch als „die Wirtschaft“ bekannt, eine Teilorganisation der ÖVP ist danach benannt. Eine andere Teilorganisation der ÖVP ist nach der arbeitenden Klasse benannt; eine andere Bezeichnung für diese Arbeitenden wäre – etwas unscharf – die „ASVG-Versicherten“. Auch unter der Beschriftung „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ sind die beiden Klassen bekannt: Die eine, die die Arbeit der anderen in Empfang „nimmt“, und die andere, die arbeitet. Die Klassen sind nämlich sehr sinnreich aufeinander bezogen, die besitzende Klasse braucht die nicht-besitzende Klasse, um sie für sich arbeiten zu lassen! Um einen Klassiker aus dem 17. Jahrhundert zu zitieren: „was wäre der reiche Mann ohne den Arbeiter, außer selbst ein Arbeiter?“ (John Bellers, nach Marx, MEW 23, S. 642) Da müsste der Reiche glatt arbeiten! Ein anderer Gelehrter hält im 18. Jhd. fest, daß in einer freien Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reichtum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht.“ (Bernard de Mandeville, nach Marx, ebd.) Der Reichtum einer Nation, in der es keine Sklaven gibt, der besteht aus den Armen, die für die Reichen arbeiten müssen. Wie geht das, in der Marktwirtschaft, ohne Sklaverei, dass die Armen für die Reichen arbeiten?

Der Mensch hat einen Job, mit dem er Geld verdient. Er kauft davon, was er für sich und ggf. seine Familie braucht. Um alles davor (Jugend in Ausbildung), danach (Rentner-Dasein) und den ganzen Rest (Arbeitslosigkeit, Krankheit) kümmert sich der Staat. So ungefähr sieht die Welt für die Einwohner der modernen Marktwirtschaft aus. … Ebendeswegen lohnt sich ab und zu ein Blick auf die elementaren Unterschiede, die in dieser Dreieinigkeit von Job, Einkaufen und staatlicher Betreuung enthalten sind. Die erste, alles entscheidende materielle Diversifizierung ist die, die im Stichwort ‚Job‘ oder ‚Beruf‘ ganz grundsätzlich verloren geht: der Unterschied, ob man eine Geldquelle hat, oder ob man eine ist, also im Wesentlichen nur sich selber hat und daraus eine Einkommensquelle macht, indem man diesen Besitz – also die eigenen Fähigkeiten, Kraft, Lebenszeit – stückweise verkauft. An welche, die dafür bezahlen, dass sie Fähigkeiten, Kraft und Lebenszeit anderer Leute als ihre Erwerbsquelle nutzen.“
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/bilder-alltag-sozialen-marktwirtschaft-21-jahrhunderts

Die einen sind nämlich nicht deswegen reich, weil sie irgendwie etwas haben und immer mehr kriegen, und die anderen leider nicht; sondern weil die einen für die anderen arbeiten müssen. Aus einer brillanten Studie über den Zusammenhang von Arbeit und fremdem Reichtum:
Der Zusammenhang von Arbeit und fremdem Reichtum
In der Marktwirtschaft wird gearbeitet, aber nicht um die Menschheit einfach mit Gebrauchsgütern, mit materiellem Reichtum zu versorgen, sondern um Geld zu verdienen. In dieser ökonomischen Zielsetzung, Eigentum in Geldform zu erwerben, sind sich die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft über alle Standesgrenzen und Klassenschranken hinweg einig. Denn für alle gilt unterschiedslos, dass die Befriedigung von Bedürfnissen nicht allein vom Vorhandensein nützlicher Dinge, sondern von einem ausschließenden Verfügungsrecht darüber abhängt – vom Eigentum. Als Eigentum nämlich: als jedem Bedürfnis erst einmal vorenthaltene Objekte einer privaten Verfügungsmacht, so kommen die Arbeitsprodukte in die Welt.

Deswegen entscheidet sich für die Mitglieder dieser egalitären Gesellschaft des Geldverdienens ökonomisch alles daran, ob sie schon Geld haben, oder erst welches verdienen müssen. Wer nämlich arbeiten muss, um ein Stück Eigentum zu erwerben, weil der materielle Reichtum der Gesellschaft erst mal anderen gehört, der braucht jemanden, der schon Geld hat und ihn für seine Arbeit bezahlt. Wer Geld verdienen muss, ist folgerichtig damit konfrontiert, dass seine Arbeit nur sehr bedingt sein Mittel ist, um an wohlverdientes eigenes Geld heranzukommen. Denn um für ihn diesen Dienst zu leisten, muss sich seine Arbeit unbedingt als Mittel seines Geldgebers bewähren – für dessen Zweck, Geld zu verdienen. Wer für Geld arbeitet, dient dem Eigentum also gleich doppelt: dem eigenen und einem fremden. Umgekehrt umgekehrt: Wer in der Marktwirtschaft genügend Geld hat, der ist in der Lage, ein Geldeinkommen in arbeitsamen fremden Händen zu stiften, und zugleich durch die gekauften Dienste sein Eigentum zu vergrößern.

Beide Seiten zählt die Marktwirtschaft in ihrer unverwüstlichen Gleichmacherei zu ihren „Erwerbstätigen“. Das ändert nichts an den unterschiedlichen Leistungen der Arbeit, die die einen „geben“ und die anderen „nehmen“. Diese Arbeit schafft Eigentum, das dasjenige vermehrt, das es schon gibt; und dem Arbeiter verschafft sie ein Geld, das ihn nie zum Eigentümer in dem Sinn werden lässt, zum Mitglied der besitzenden Klasse. Wo für Geld gearbeitet wird, da dient eben nicht das Geld der Arbeit als nützliches Hilfsmittel, sondern die Arbeit dient dem Geld als dessen Quelle. Was in der Marktwirtschaft aus der Arbeit wird, ist ausschließlich durch den Gebrauch bestimmt, den das als Kapital agierende Eigentum von ihr macht.“ Was heißt das?
(https://de.gegenstandpunkt.com/publikationen/buchangebot/arbeit-reichtum)

Es geht also darum, Geld zu verdienen, und zwar möglichst viel. In diesem Ziel verstehen sich alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft bestens; was sie dann mit ihrem Geld machen, das ist allein ihre Sache. Im Geld verfügen sie über ein Stück reale Freiheit: es ist das Mittel des Zugriffs auf eine ungeheure Warensammlung. Das ist die gute Seite, die jeder am Gelderwerb schätzt.

Mit der Kehrseite machen die Erwerbstätigen, jedenfalls in ihrer übergroßen Mehrheit, sehr rasch Bekanntschaft: Wenn die Geldsumme aufgebraucht ist, ist es auch mit dem freien Zugriff vorbei. Vorhanden sind die begehrten und benötigten Güter nach wie vor; nur verfügbar sind sie nicht. Die im Geld gewährte Möglichkeit der Befriedigung aller Bedürfnisse ist noch lange nicht die wirkliche. Geltend macht sich ständig die Begrenztheit der verfügbaren Geldsumme, sodass alle Probleme sich praktisch in das eine auflösen: mehr Geld zu verdienen. Was sich in dieser Haupt- und Generalnotwendigkeit des Daseins in der Marktwirtschaft geltend macht, ist die peinliche Eigenart dieser Wirtschaftsweise, dass alles, was der Mensch so braucht, zwar hergestellt, aber deshalb noch lange nicht verfügbar ist: Das Eigentum trennt die Produkte von denen, die sie benötigen. Dafür werden die Produkte überhaupt hergestellt: um den – „besitzenden“ – Leuten zu gehören, die sie nicht selber brauchen und verbrauchen, und in der Regel auch nicht verbrauchen können, und um denjenigen, die das Zeug brauchen, vorenthalten zu sein. … Was produziert wird, ist eben Eigentum. Der nützliche Gegenstand ist der ausschließenden Verfügungsmacht einer Privatperson oder einer Firma zugeordnet; einer Verfügungsmacht, die an diesem ihrem Objekt gar nicht bleiben will, die es loswerden will, indem es zur abstrakten Zugriffsmacht werden soll: Geld werden soll – pure Privatmacht über Reichtum, die im Geld ihre sachliche Gestalt und ihre Quantität hat. Das hergestellte Objekt kann gar nicht anders an die, die es brauchen, übertragen werden als auf dem Wege des Verkaufs; der Verkauf verwirklicht schließlich erst den Zweck der Produktion, obwohl das Produkt schon fertig ist. Auf dessen materielle Gestalt (den Gebrauchswert) kommt es eben nicht an, oder nur als Mittel zum Zweck. Was in dieser Gestalt eigentlich produziert wird, ist das zu erzielende Geld: was die Sache für ihren Besitzer wert ist. Deswegen ist mit der Güterproduktion die Sache nicht fertig, die Gesellschaft um einige Mittel des Produzierens und Konsumierens reicher geworden und zufrieden; sondern es ist die allgemeine Notwendigkeit etabliert, Geld zu verdienen, wie und womit auch immer, um sich die produzierten Dinge erst noch aneignen zu können. …

Wer in einer Welt, in der alle Gebrauchsgüter Eigentum sind, kein entsprechendes Eigentum hat, der kann noch nicht einmal von sich aus ans Werk gehen, für sich arbeiten und sich welches produzieren; denn dazu fehlen ihm die nötigen Mittel – auch die sind ja Eigentum. Um am Eigentum nicht zugrunde zu gehen, braucht er einen Eigentümer, der über Produktionsmittel verfügt und ihn dafür bezahlt, dass er sich daran nützlich macht – nützlich für den Eigentümer, versteht sich; weshalb sollte der sonst Geld zahlen? Auch für den geht es ja darum, Geld zu erwerben, nicht zu verschenken. Dieses Interesse hat der auf Erwerbsarbeit angewiesene Mensch, dem es an Eigentum fehlt, mit-zu-bedienen, damit er sich Geld verdienen kann. Mit seiner Arbeit muss er seinem Geld- und Arbeit,Geber‘ zusätzlich zu dem, was der schon hat, Eigentum schaffen, um selber etwas gezahlt zu bekommen. Die rein private Zwecksetzung des Arbeiters, sich Geld zu verschaffen, ändert sich dadurch gar nicht; es zeigt sich nur, was es heißt, ein eigenes Geld zu verdienen, ohne schon genug zu haben. Dann wird die Arbeit nämlich zur doppelten Geldquelle: Für den, der sie leistet, wird sie zur Quelle von Lohn unter der Bedingung, dass er die andere, besser ausgestattete Seite, die schon Geld hat und arbeiten lässt, reicher macht. Für Leute, die ohne Eigentum in der Marktwirtschaft mittun wollen, ist Arbeiten zwar das einzige Erwerbsmittel, über das sie verfügen; es ist aber genau genommen gar nicht ihr Mittel, sondern wird dazu nur, soweit und solange ein Betriebseigentümer es für sich, als sein Erwerbsmittel zu nutzen versteht. Arbeiter produzieren Eigentum, und zwar – entgegen dem Wortsinn – fremdes.“ (ebd.)
https://de.gegenstandpunkt.com/publikationen/buchangebot/arbeit-reichtum

Schreibe einen Kommentar