Zeugung unter dem Mikroskop 1850er bis 1900
Wie zwischen Biologie und Bürgerlichem Gesetzbuch die moderne Kleinfamilie entstand und das Problem der Erbschaft löste
Wenn Spermium und Eizelle sich bei der Zeugung vereinigen, geben beide ihr Erbmaterial an den Embryo weiter. Dieser seinerzeit revolutionäre biologische Befund von 1875 hatte weitreichende Folgen, nicht zuletzt für das Erb- und Familienrecht. Denn aus der Erkenntnis, dass väterliche und mütterliche Anteile an die Nachkommen weitergegeben werden, resultierten politische Fragen der Gleichberechtigung und der Verteilungsgerechtigkeit.
Solche Themen waren speziell im Deutschen Kaiserreich virulent, als zwischen 1870 und 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch entstand. Das BGB legte die Grundlage für das Verständnis von Familie als biologischer Einheit, Wirtschaftsgemeinschaft und von geschlechtlicher Arbeitsteilung, wie sie bis in das 21. Jahrhundert hinein wirksam geblieben ist.
Bettina Bock von Wülfingen ist freiberufliche Kulturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Geschichte der Lebenswissenschaften. Sie war 2021/2022 für ein Jahr Vertretungsprofessorin für Historische Wissenschaftsforschung an der Universität Bielefeld und im Anschluss Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie (KA/EE) der Universität Münster. Sie ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Geschichte der Wissenschaften, der Medizin und der Technik (GWMT).
Kommentar: Flavia Guerrini, Institut für Erziehungswissenschaften, Universität Innsbruck
Moderation: Ina Friedmann, Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck