Vergangenheitsbewältigung, Geschichtsbewusstsein, das leidige Erbe des Dritten Reichs …
„Schuldkult“ und „Katechismus“ – Subjekte und Missversteher
Als Einstieg ein Stichwort vom letzten Beitrag, dem sog. „Schuldkult“. So bezeichnen politisch Rechte jene offiziellen deutschen und österreichischen „Lehren aus der Geschichte“, die ihnen nicht passen. Die Rechten wollen darin entdeckt haben, dass man sich in Berlin und auch Wien nicht an den nationalen Interessen orientiert, sondern regierungsamtlich als Organ eines völlig unangebrachten schlechten Nationalwissens agiert, nicht nur in außenpolitischen Fragen – und darüber zum Opfer auswärtiger Interessen wird, die dieses Schuldbewusstseins benutzen. Dieser „Schuldkult“ schwächt – angeblich – die Nationen moralisch; die Unterstützung Israels gilt manchen Freunden der palästinensischen Sache auch als Folge dieses „Schuldkults“: „Free Palestine from German guilt“! Warum sollen die Palästinenser für die deutsche Schuld büßen?! Nun, das tun sie ohnehin nicht, dazu vielleicht ein andermal mehr.
Es soll jetzt erst mal um die immanent–moralische Abwicklung des unseligen „Erbes“ vom größten anzunehmenden deutschen Staatsverbrechen gehen, das seinerzeit vom größten anzunehmenden deutschen Verbrecherstaat verbrochen wurde. Die Frage der „Vergangenheitsbewältigung“ lautet bekanntlich: Wie damit geistig umgehen, so dass ein moralischer Gewinn für den heutigen deutschen „Rechtsnachfolger“ des NS-Staates draus wird, mithin die Demonstration des „so sind wir nicht!“ Eine bezeichnende Anekdote, 30 Jahre alt. Damals, 1993, nach dem Anschluss der DDR und dem damit eingefahrenen größten Erfolg der deutschen Nachkriegsgeschichte, war ein deutsches Bedürfnis nach einer Neuorientierung der Nationalmoral, einer neuen Akzentuierung der deutschen nationalen Selbstdarstellung weit verbreitet, ein Stück weg von dem, was die Protagonisten damals als überholtes nationales „Schuldbewusstsein“ identifiziert hatten. Ein Exponent dessen war der in der DDR aufgewachsene Theologe und Politiker Steffen Heitmann, der wollte Bundespräsidentschaftskandidat der deutschen Christ-Parteien werden; und der hat in seiner Positionierung u.a. folgendes vertreten:
„Nach der Einheit hatte ich zum erstenmal Gelegenheit, mit Juden zu reden, und es hatte für mich etwas Befreiendes, von ihnen zu hören: Hört doch auf, eure Geschichte dauernd als Monstranz vor euch herzutragen. Wir müssen lernen, mit dieser Geschichte, die wir haben, umzugehen. Süddeutsche Zeitung: ‘Normal’ umgehen? Wie soll man normal umgehen mit Millionen Morden? Heitmann: Das ist richtig. Nur muss man sehen, dass auch dies ein geschichtlicher Prozess ist, in dem wir uns befinden. Ich möchte warnen vor der intellektuellen Sonderrolle, die einige von uns sich anmaßen aus der Vergangenheit herleiten zu können, die gewissermaßen die bessere Moral verkörpern wollen.“ (Süddeutsche Zeitung 18. 9. 93; Vgl. auch:
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/streit-um-steffen-heitmann
Die entscheidenden Stichworte hier sind hier die „Monstranz“ und die „bessere Moral“ durch die „Anmaßung“ einer historischen „Sonderrolle“. Für Nicht-Katholiken: Die Monstranz ist ein religiöser Kultgegenstand, ein sehr edles Teil, mit Gold und Edelsteinen besetzt, mit dem eine Hostie – nach Meinung der Rechtgläubigen: „der Leib Christi“ – zur Schau gestellt und zur Anbetung freigegeben wird. An Fronleichnam gibt es jährlich eine Demo (auf katholisch: „Prozession“), bei der die Rechtgläubigen diese Monstranz mitnehmen und dadurch sinnfällig machen, dass sie auf dem richtigen Weg sind, weil sie den Herrgott mit dabei haben, indem sie ihn herumtragen.
Der Vergleich mit der Monstranz soll nach Heitmann den bisherigen, nun überholten Umgang mit der deutschen Geschichte charakterisieren, gemeint ist speziell die Judenvernichtung. Wie schwer er sich damit getan hat, und wie sehr er darin befangen war, das zeigt seine Berufung auf Juden, die ihm diese zusätzliche „Befreiung“ verschafft hätten; er sagt nicht einfach, ihm als nunmehr wiedervereinigtem Deutschen behagt die Schuld-&-Scham-Variante in Bezug auf den Völkermord nicht mehr, und er bevorzugt mehr stinknormalen Nationalstolz ohne „bewältigendes“ Brimborium – nein, er hat sich da selbstverständlich von echten Juden inspirieren lassen!
Die Judenvernichtung als eine „Monstranz“
Die Judenvernichtung als eine „Monstranz“, als Gegenstand der Verehrung in einem nationalreligiösen Kult der Zurschaustellung einer „besseren Moral“ – wie geht das und was ist da vorher gelaufen? Wenn man das Bild „Monstranz“ aufgreift, da hätte gerade einem Theologen auch eine andere Analogie auffallen können – nämlich dass da wie in einer Beichte durch das dosierte Bekenntnis zur Sünde ein schlechtes in ein gutes Gewissen verwandelt wurde, das Anerkennung und Vorbildfunktion beansprucht: So wird aus einer „Sonderrolle“ ein Anspruch auf die „bessere Moral“. Eine primitive moralische Technik: Wer sich selbst bezichtigt, unterstreicht seine Maßstäbe, indem er sie auf sich selbst anwendet und vor der Verurteilung nicht zurückschreckt – er demonstriert damit nicht nur seine Sittlichkeit, sondern vor allem, dass er jetzt über die Schandtat hinaus ist, jetzt die personifizierte Distanz und Überwindung darstellt. Es handelt sich um eine Selbsterhöhung durch eine vorgeschaltete geheuchelte Selbsterniedrigung. Geheuchelt, weil das Bekenntnis zur „Schuld“ überdeutlich nicht als Vorstufe zur Strafe, sondern als Schritt zur Vergebung und zur Erlösung kenntlich ist: Statt der Strafe für das „Verbrechen“ spendiert sich der Delinquent den Freispruch, als Belohnung für das Geständnis! Da hat sich Kandidatenanwärter Heitmann damals ein wenig selbst überdribbelt: Den deutschen Nationalstolz auf ein neues Fundament stellen wollen, und dafür ausgerechnet einen geheuchelten Aufruf zur Bescheidenheit starten – in der bieder vorgetragenen Ablehnung einer „Sonderrolle“ bzw. mit Anspruch auf eine „bessere Moral“?! Eine „Monstranz“ wirft man doch nicht weg, und eine „bessere Moral“ ist doch wohl das, worauf es ankommt bei solchen Geschichtsbetrachtungen – dass sie durch den Umweg, über das Durchgangsstadium der ständigen Erwähnung der „Schuld“ zustande kommt, relativiert doch längst nicht das Endresultat. Der „Trick“, das Schuldbekenntnis positiv zu wenden, besteht eben darin, dass Bekennen und Bewältigen in eins fallen, dass mit dem Bekenntnis zum Verbrechen auch schon die Läuterung und Überwindung vorstellig gemacht werden soll. Wer sich im Namen des gegenwärtigen Kollektivs zu allerlei Schandtaten bekennt, die ohnehin von gestern sind und die unter etlichen Spitzfindigkeiten vom damaligen deutschen Kollektiv getrennt wurden, die vielleicht also weniger von ihm und nur „in dessen Namen“ und durch dessen „Missbrauch“ veranstaltet wurden – auch dazu ev. später mehr –, der beweist seine Sittlichkeit. Wer sich rücksichtslos und völlig offen seiner Vergangenheit „stellt“, überbietet damit sowohl die Opfer als auch die moralisch konkurrierenden Nationen und erobert so die „Deutungshoheit“ über die Vergangenheit; gibt die Maßstäbe vor, sowie beschwert sich über alle, die es nicht so halten: Wer sich selbst demonstrativ rhetorisch verdammt, braucht sich von niemandem etwas vorhalten zu lassen.
Die Verbeugung deutscher Repräsentanten vor den Denkmälern dieser inszenierten „Schande“ enthält dabei – nach einem bekannten Diktum –, so wenig Kritik an Faschismus und Völkermord, wie der Kranz vor dem Denkmal des unbekannten Soldaten eine Kritik am Krieg darstellt. Durch diesen Umgang mit der Vergangenheit sind die deutschen Holocaust-Gedenkstätten längst – sozialwissenschaftlich formuliert –, zum funktionalen Äquivalent für deutsche Siegesdenkmäler geworden: sie „erinnern“ inzwischen an den deutschen Sieg über das Dritte Reich und über Auschwitz! Verrückt? Klar!
Krieg? So geht Schuldkult!
Spätestens, wenn wieder Krieg ist, feiert dieses Geschichtsbewusstsein seine wohlverdienten Triumphe. Einige Jahre nach den Bedenken des Herrn Heitmann in Sachen „Monstranz“ hat der grüne Außenminister Fischer die Beteiligung Deutschlands am NATO-Krieg gegen Serbien – dem ersten unter Wiederbetätigung deutscher Streitkräfte nach 1945 – als „antifaschistische“ Lehre aus der Geschichte begründet:
„Auschwitz ist unvergleichbar. Aber ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus. Beides gehört bei mir zusammen.“ (Rede Joscha Fischer, in Spiegel Online 13.5.1999, zitiert nach:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rede_Joschka_Fischers_zum_NATO-Einsatz_im_Kosovo)
„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ – die klassische Losung transportierte seinerzeit noch die lächerliche Vorstellung, einer Demokratie sei der Krieg oder wenigstens der Angriffskrieg quasi wesensfremd, Krieg sei eine Eigenheit des Faschismus. Die Weiterentwicklung durch einen alten „68er“ lautet: Nie wieder ein deutscher Krieg ohne „antifaschistische“, aus der „Vergangenheitsbewältigung“ stammende Legitimation. Eigentlich kämpfte die Bundeswehr anno 1999 auf dem Balkan gegen „Hitler“, irgendwie halt, wenn man als guter Deutscher unbedingt – und wie vor 1945! – an das Gute deutscher Kriege glauben will. Dann leuchtet eben den guten heutigen Deutschen auch antifaschistischer Schwachsinn ein, so wie früher mal antijüdischer Schwachsinn: Die einzigartige deutsche Kompetenz durch den bravourös „bewältigten“ Völkermord verpflichtet den anerkannten Völkermord-Spezialisten Deutschland zur Völkermord-Verhinderung durch andere Nationen, und damit zur Aufsicht über diese. So geht die „bessere Moral“ auf Basis einer „Sonderrolle“! So muss „Schuldkult“!
Die bisherige Klimax ist mit dem russischen „Angriffskrieg“ gegen die Ukraine geliefert worden. (Übrigens, alte strategische Weisheit: Angriff ist die beste Verteidigung!) – Seit 1945, kaum war der Krieg verloren, kämpft Deutschland fanatisch gegen den deutschen Faschismus, durch dessen hemmungsloses Schlechtmachen ex post, nachdem eh’ alles gelaufen war. Damit gehört Deutschland nach einigen Jahrzehnten zu den legitimen Siegermächten über das Dritte Reich, und befindet mit dem Recht dieses Sieges über Gut und Böse in der Staatenwelt; während Russland inzwischen auch dadurch, dass es sich den edlen deutschen Ansprüchen verweigert, den Abstieg von der antifaschistisch beglaubigten Siegermacht zum nunmehrigen Unrechtsnachfolger des NS-Staates hinter sich hat, zumindest aus der Sicht der heutigen präpotenten hässlichen Deutschen wie Steinmeier, Baerbock et al … Denn wenn Deutschland – seit Mai 1945! – permanent gegen Hitler kämpft, dann sind die gegenwärtigen Gegner Deutschlands folgerichtig die Nachkommen des Führers, der aktuelle sitzt daher in Moskau. (Und da behauptet ein Hegel, Staaten hätten noch nie etwas aus der Geschichte gelernt … )
Der Katechismus der Deutschen
Dieser gekonnte Umgang mit historischen Lehren hat auch despektierliche Beiträge provoziert; was aus der Sicht der Rechten der nationalschädliche „Schuldkult“ ist, das gerät da aus anderer Sicht zum „Katechismus der Deutschen“. Ein „renommierter Genozid-Forscher“ überschüttet die „Vergangenheitsbewältigung“ mit Spott und Hohn – zurecht:
“Millionen Deutsche haben während der vergangenen Jahrzehnte verinnerlicht, dass für die sündige Vergangenheit ihrer Nation nur über den Katechismus Vergebung zu erlangen ist. Kurz gefasst impliziert der Katechismus eine Heilsgeschichte, in der die ‘Opferung’ der Juden durch die Nazis im Holocaust die Voraussetzung für die Legitimität der Bundesrepublik darstellt. Deshalb ist der Holocaust für sie weit mehr als ein wichtiges historisches Ereignis: Er ist ein heiliges Trauma, das um keinen Preis durch andere Ereignisse – etwa durch nichtjüdische Opfer oder andere Völkermorde – kontaminiert werden darf, da dies seine sakrale Erlösungsfunktion beeinträchtigen würde. Für den Historiker Dan Diner etwa nimmt der Holocaust als Zivilisationsbruch den Platz ein, der vormals Gott zukam.“
Man darf das Holocaust-Böse in Deutschland bekanntlich nicht leugnen, weil durch die Darstellung des Bösen dessen Überwindung durch Deutschland zu loben und zu preisen und zu verehren ist! Weiter im Zitat:
„Eine zentrale Rolle in diesem christologisch geprägten Erlösungsnarrativ kommt hier auch der ‘Wiederauferstehung’ des Opfers bei. Seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten und dem Kollaps der Sowjetunion unternimmt der deutsche Staat diverse Maßnahmen, die eine ‘Wiederaufforstung’ von Juden in Deutschland hervorbringen sollen. … Nachdem Deutschland nun nicht nur die gründlichste ‘Aufarbeitung der Geschichte in der Geschichte’ hinter sich gebracht hat, sondern auch Juden und Jüdinnen ‘wiederbelebt’ hat, kann es im Bewusstsein seiner Rolle als Leuchtturm der Zivilisation wieder stolz unter den anderen Nationen stehen und sich von der politischen Klasse Israels, Großbritanniens und den USA anerkennend den Kopf tätscheln lassen.“
https://geschichtedergegenwart.ch/der-katechismus-der-deutschen/
https://de.wikipedia.org/wiki/A._Dirk_Moses
Gut gegeben! Mit den Rechten und deren Vorstellung vom „Schuldkult“ teilt Anthony Dirk Moses allerdings sehr zu Unrecht die These, es handle sich um eine deutsche Unterwerfung unter fremde Mächte; klar, am Anfang stand der deutsche Kotau vor den USA, inzwischen betreibt Deutschland diesen Zinnober auf eigene Rechnung und aus ganz eigener Anspruchshaltung!
https://taz.de/Debatte-um-Erinnerungskultur/!5773157/
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Jenseits von Spott und Hohn noch eine ernste Zusammenfassung, anlässlich einer Debatte um ein Holocaust-Mahnmal in Berlin; die Debatte war damals vermutlich wichtiger als das Werk selbst:
„Seitdem mit der Revision des für die deutsche Nation schlimmsten Kriegsergebnisses, ihrer Aufteilung, jede wirkliche Betroffenheit durch das vergeigte Welteroberungsunternehmen der Nazis glücklich abgeschüttelt ist, gefällt sich Deutschland geradezu in einer moralisch-ästhetischen Betroffenheit durch die Größe der von den Nazis verübten Untaten. An die wird nicht mehr pflichtschuldigst erinnert, sondern im forschen Selbstbewußtsein, dass aus der Distanzierung von ihr nichts anderes zu folgen hat als der allseitige Respekt vor einer dermaßen geläuterten Nation. Als solche beansprucht Deutschland aus der Position des moralischen Richters die Interpretationshoheit über die ‘Verbrechen des NS-Staates’. Die übt es aus, indem es den Konzentrationslagern und Gaskammern eine Deutung verleiht, in der es als das politische Subjekt, das die Ausrottung des zum Feind des deutschen Volkes erklärten ‘internationalen Judentums’ betrieben hat, nicht mehr vorkommt; mit der es sich dafür umso mehr als das hochanständige Staatswesen in Szene setzt, das nachträglich die ‘menschlichen Schicksale’ nicht in Vergessenheit geraten läßt. Ein ‘Holocaust’ soll da auf seinem Boden passiert sein. Diese offiziell gültige Sprachregelung hält sich an die Opfer, an die Identifizierung mit ihren Leiden, sowie an den Abscheu vor einem ‘Verbrechen gegen die Menschlichkeit’, das bis heute ‘unerklärlich’ sein soll. Sie legt den Opfern des deutsch-nationalen Rassismus eine quasi religiöse, in ihrem Glauben begründete Opferrolle bei, den Tätern anstelle ihrer wirklichen national-rassistischen Beweggründe eine völlig apolitische Grausamkeit; die zynische Metapher vom ‘Leidensweg des jüdischen Volkes’ entpolitisiert so Tat wie Täter, indem sie beides ins letztlich nur religiös-metaphysisch Fassbare verlegt. Nach 50 Jahren ‘Vergangenheitsbewältigung’ hat es Deutschland dahin gebracht, aus diesem Stück seiner Nationalideologie jedes Moment von nationaler Schmach zu tilgen und aus dem ihm zugrundeliegenden politischen Tatbestand ein hemmungsloses Eigenlob zu verfertigen. … Das Rätsel, wie eine Nation einem historischen Ereignis ein Denkmal setzen kann, das als ihre größte nationale Schandtat in die Geschichte eingegangen ist, ist damit nämlich keines mehr: Das Denkmal wird nicht der nationalen Schande, sondern ihrer erfolgreichen Bewältigung gesetzt. … Eine durch und durch edle Tat wird da auf den Weg gebracht, die selbstverständlich auf den verweist, der sie ins Werk setzt. Nämlich auf die Nation, die neulich für das Anfallen der Leichen gesorgt hat. Die leistet sich 50 Jahre ‘danach’ eine wahrlich souveräne Geste der Wiedergutmachung: Nicht etwa deswegen, weil sie einer an sie gerichteten Forderung auf Begleichung einer Schuld nachzukommen hätte, sondern aus freiem Entschluss, also einzig und allein, weil sie sich das schuldig ist, verneigt sie sich vor ihren Opfern. Mit diesem symbolischen Akt gibt sie ihnen zurück, was sie ihnen der hochmoralischen Einschätzung ihrer eigenen Taten zufolge genommen hat. Nämlich nicht bloß so banale Dinge wie Leben und Zahngold, sondern ihre Ehre. Dieses sittliche Verhältnis der Nation zu ihren Völkermordopfern wird repariert – durch die Nation selbst, die offensichtlich nach wie vor dafür zuständig ist, das hohe Gut der Ehre den Landesbewohnern – vergangenen wie gegenwärtigen, wirklichen wie nurmehr virtuellen – zuzuteilen, ihnen gegenüber ihre Anerkennung auszusprechen.“ Damit „macht Deutschland klar, dass es seine Hoheit über Ehren-, Anerkennungs- und Opferfragen fraglos richtig zu gebrauchen weiß – nämlich andersherum als neulich, wo es ihm um die Eliminierung der falschen ‘Rasse’ ging. Und keine Stimme meldet sich, die im Namen der Opfer dankend darauf verzichtet, von dieser Nation geehrt zu werden.“
Gelacht hat auch niemand.
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/holocaust-mahnmal