Mitschnitt der Lesung von Paul Celans Todesfuge aus dem Jahr 1990 im Rahmen einer Gedenkveranstaltung auf dem Salzburger Mönchsberg.
Anlass war der kurz zuvor erfolgte Freitod von Guiseppe Kofler durch Selbstverbrennung vor dem sogenannten „Rehmhaus“ in der Innsbrucker Bundesstraße, welches die Stadtregierung wohnungslosen Jugendlichen rund um die erweiterte Punkszene vorübergehend zur Verfügung gestellt hatte. Zu jenem Zeitpunkt war das Ende dieser einstweiligen Wohn- und Kulturstätte bereits beschlossen und die Räumung des Geländes stand unmittelbar bevor.
Welchen Anteil diese äußere Situation (das abrupte Wegfallen von konkreten Perspektiven für die weitere Lebensgestaltung) an seiner Entscheidung gehabt hat und inwieweit andere innerseelische Abgründe und unauflösbare Konflikte zu der ausweglosen Verzweiflung beigetragen haben, die schlussendlich auf einen so radikalen Abgang aus dem Leben hinaus laufen – wir wissen es nicht. Suizid ist nie erklärbar, wie uns das auch der ausgezeichnete Dokumentarfilm „Das verlorene Paradies“ (mit Dr. Reinhold Fartacek) nahebringt.
Ich hatte zwei Jahre vor diesen Ereignissen die polizeiliche Räumung eines besetzten Hauses in der Ägydigasse in Wien mitüberlebt und erinnere mich nun, nachdem die Aufzeichnung unserer Gedenklesung wieder aufgetaucht ist, an meine damalige Grundhaltung im Hinblick auf Trauma und Kunst. Mir ist, als hätte ich zu all den verletzten Kindern um mich herum gesagt: „Schreits doch euren Schmerz in die Welt, statt dass euch mit irgendeim Zeug wegballerts. Machts doch Musik, malts es, schreibts es, speibts es dem Publikum ins Gsicht. Sagts es halt irgendwie aus …“
Heute wird mir immer klarer, dass das verletzteste Kind in mir selbst steckt und ich kann es inzwischen auch dazu einladen, sich in all seiner Ohnmacht und Verzweiflung und ausweglosen Wut auszudrücken, denn da ist jemand, der ihm zuhört. Das bin zwar nicht nur ich, aber das bin vor allem und eben auch ich selbst: „Hallo, liebe Kinder, seids ruhig grausig und gschissen, ich halt euch nicht bloß aus, nein, ich bin neugierig, auf mich, auf euch, auf uns …“
Und so werden wir dieses historische Tondokument auch in unsere nächste Nachtfahrtsendung mit dem Titel „Whatever, Anyway“ einbauen und einmal schauen, was mit ihm und all den anderen Beiträgen (und mit uns selbst) passiert, wenn wir in diesem „neuen Kontext“ sanftkräftig umrühren. Eine „musikliterarische Gefühlsweltreise“, die der Entwicklung unseres Erzählens gewidmet ist und, soviel sei vorab verraten, auch eine Metadramaturgie aus „Überfließen, Übersetzen und Überleben“ enthält.
Damit es nur nicht unterkomplex wird …