Boris Buden
Die Treue der Übersetzung hat immer mehr bedeutet als die Übereinstimmung mit dem Original. Die deutsche Romantik, vor allem Wilhelm von Humboldt, hat ihre soziale und politische Dimension entdeckt. Sie bestimmten Übersetzung in Begriffen von sozialer Kreativität neu. Übersetzungen aus fremden Sprachen bereichern die eigene Sprache des/r ÜbersetzerIn und tragen damit dazu bei, seine oder ihre Nation zu bilden. Dem Original treu zu sein bedeutet tatsächlich der eigenen Nation treu zu sein. In letzter Konsequenz ist die die Treue der Übersetzung eine patriotische Tugend, eine Loyalität gegenüber der eigenen Nation. Was aber, wenn Übersetzung letztlich die Nation verrät und anfängt, alternative Formen von sozialer und politischer Artikulation hervorzubringen? Wäre dies das Ende der Idee der Treue oder vielmehr ihr Neubeginn?