Der Trachtensaal im Volkskundemuseum in Graz ist schon auf den ersten Blick eine Obskurität: in einer seltsamen Anordnung wird hier eine historische Sammlung unterschiedlicher Trachten auf lebensgroßen, handgeschnitzten Puppen präsentiert. Volkstum scheint hier konserviert, dargestellt und konstruiert — eine gewisse Atmosphäre der Unheimlichkeit ist dabei kaum zu leugnen. Wer nun noch hinzufügt, dass der Trachtensaal im Jahre 1938 eingeweiht wurde, mag ihn vorschnell ins nationalsozialistische Eck einordnen — bei genauerer Betrachtung ist die Sache jedoch widersprüchlicher und komplexer.
Über ein Jahr lang hat sich eine Gruppe von Studierenden im Rahmen eines Studienprojektes am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie in Graz unter der Leitung von Katharina Eisch-Angus mit dem Trachtensaal beschäftigt. Herausgekommen ist einerseits der Band Unheimlich heimisch. Kulturwissenschaftliche BeTRACHTungen zur volkskundlich-musealen Inszenierung, in dem nicht nur der konkreten Raum, sondern verschiedene assoziierte Themenfelder bis hin zur Flüchtlingssituation behandelt werden. Andererseits findet das Projekt seinen Niderschlag auch im Museum selbst, in dem verschiedene Interventionen den Trachtensaal kritisch wie ironisch re-textualisieren. In dieser Sendung erzählen Mateja Marsel, Toni Janosch Krause und Hans-Peter Weingand von ihren Annäherungen an diesen Ort, der trotz aller wissenschaftlicher Kontextualisierung eine gewisse Staubigkeit und Unheimlichkeit behält.
Die Interventionen sind noch bis 29.5.2016 im Grazer Volkskundemuseum zu sehen.
Die Publikation ist im Löcker-Verlag erschienen.
Unheimlich Heimisch: Annäherungen an den Trachtensaal im Grazer Volkskundemuseum
Das wilde Denken. Kulturanthropologische Gespräche. Mit Robin Klengel und Ruth Eggel auf Radio Helsinki, 92,6 Graz.