Das Traumarsenal kommentiert Träume ungebunden, unanalytisch und poetisch. Die Sendereihe bat wie ihr Vorbild, Robert Desnos’ Radioproduktionen “La clef des songes” von 1938, Hörerinnen und Hörer, Träume vorzulegen oder zu kommentieren.
Im sechsten Traumarsenal bespricht Hanns-Holger Rutz die Reflexion von der Traumcloud.
Traumbericht
»Die Erinnerungen an meine Träume verblassen meist recht schnell – mit Ausnahmen, von denen ich aber hier nicht erzählen möchte. Was mich zur Zeit in puncto Traum beschäftigt ist Folgendes: immer wieder passiert es mir, dass ich beim Träumen den Eindruck habe, der sich – soweit das bei Träumen der Fall sein kann – zur Gewissheit steigert, dass ich schon mal »in dem Traum war« und ihn nur nicht, aus irgendwelchen Gründen, zu Ende träumen konnte. Es sind Träume, an die ich mich im Wachzustand nicht erinnere. Also handelt es sich nicht um einen wiederkehrenden Traum, wie er anscheinend bei manchen Leuten auftritt, sondern um die Fortsetzung – natürlich in gebrochener »Traumlogik« – einer Geschichte. Wenn ich dann aus dem Traum mehr oder weniger heraußen bin, fantasiere ich, im Halbschlaf, es gäbe da irgendwo eine Traumcloud, aus der sich mein Hirn diesen oder jenen »Film« herunterlädt und, wenn er ihm gefällt, aber unterbrochen wurde, die Fortsetzung herunterlädt. Vielleicht gibt es nicht nur ein kollektives Unbewusstsein, sondern auch eine kollektive Traumcloud, und was ich letzte Nacht geträumt habe, hat vielleicht schon eine Andere oder ein Anderer vor Jahren geträumt oder wird es in ein paar Tagen träumen.«
Le nuage
« Le nuage dit à l’indien
‹ Tire sur moi tes flèches,
Je ne sentirai rien. ›
‹ C’est vrai, rien ne t’ébrèche,
Répond le sauvage,
Mais vois mes tatouages !
Rien de pareil sur les nuages. › »
Robert Desnos dans Destinée arbitraire, 1926