Traumarsenal 9

Podcast
Traumarsenal
  • traumarsenal 09
    30:00
audio
36:58 perc
Traumarsenal 12
audio
38:40 perc
Traumarsenal 11
audio
59:47 perc
Traumarsenal 10
audio
29:27 perc
Traumarsenal 8
audio
30:00 perc
Traumarsenal 7
audio
30:01 perc
Traumarsenal 6
audio
29:57 perc
Traumarsenal 5
audio
42:08 perc
Einen Stein nach den Sternen werfen
audio
59:53 perc
Traumarsenal 4

Das Traumarsenal kommentiert Träume ungebunden, unanalytisch und poetisch. Die Sendereihe bat wie ihr Vorbild, Robert Desnos’ Radioproduktionen “La clef des songes” von 1938, Hörerinnen und Hörer, Träume vorzulegen oder zu kommentieren.

 

Nach einem traumlosen halben Jahr ist das Traumarsenal auf Radio Helsinki zum neunten Mal zu hören. In diesem Traumarsenal kommentiert Gregor Berger  slampoetisch das Kreuzigungsseminar. Mit den Stimmen von Justin Winkler, Johanna Menhard und Vilja Neuwirth.

 

Le calvaire

« J’ai trouvé en pleine steppe un calvaire.
Le Christ
quand je l’ai touché
s’est effrité comme un vieux mammouth congelé
et les chiens de mon traîneau l’ont dévoré.
Et ils ne s’étaient pas confessés.
Mais il n’y a pas de confesseurs pour chiens.
Ils étaient à jeun. »

Robert Desnos dans La liberté ou l’amour, 1927

 

Traumbericht

»Ich fand mich in einem Seminarsetting wieder. Einige Teilnehmer und Teilnehmerinnen dürften schon vor mir dagewesen sein. Sie haben sich bereits vorbereitet und umgezogen oder waren noch dabei. Ich war anscheinend schon fertig umgezogen. Ich wusste nicht, für was wir uns vorbereiteten und umzogen. Ich ging zu einem langen Tisch vor. Hinter diesem saßen drei Frauen. Der Tisch mit den drei Frauen sah aus und wirkte auf mich wie eine Anmelde Station. Während ich zu ihm ging, kam mir die Erinnerung wieder, um welches Seminar es sich hier handelte: unser immer wiederkehrendes Kreuzigungsseminar. Die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen kannte ich bereits vom Sehen her, fiel mir plötzlich auf, wie das so ist bei einer Seminarreihe. Ich habe sie schon oft gesehen. Eine der hinter dem weißen Tisch hockenden Damen sagte zu mir: »Du bist dieses Mal als Erster dran bei der Kreuzigung.« In mir stieg das berühmte Gefühl der Angst und Nervosität auf – vom Sakral bis Solarplexus – ein Würgegefühl. Ich spürte Angst. Ich drückte das Gefühl der Angst folgendermaßen aus: »Ui, ich weiß nicht ob das geht.« »Muss das wirklich sein?« »Kann man da nicht was umdisponieren?« Es waren letzte Versuche des Verhandelns. Eine andere Frau hinter dem Tisch, die Dritte, sprach: »Macht nichts! Sieh‘s einfach so: Es ist ja super wenn du als Erster dran bist, dann hast du‘s als Erster vorbei.« Das war mir einleuchtend. Ich verstand, was sie mir nahelegte. Das Gefühl der Angst war aber immer noch da, und mit dem Gefühl der Angst hab ich gespürt – es drückte mich. Ich muss mal. Ich muss mal dringendst auf aufs Klo. Ich muss jetzt einfach Scheißen. Ich Scheiß mich an. Ich sagte zu den Frauen hinter dem Tisch: »Wartet bitte mit der Kreuzigung, ich muss nochmal schnell aufs Klo.« Am Weg zum Klo merkte ich, es wurde immer enger. Ich konnte nicht mehr weiter. Ich musste mich konzentrieren, damit ich mir nicht sofort in die Hose scheiße. Doch dann ging es »plop« und ich spürte, da war was in der Hose. Ach du meine Güte. Ich rannte schnell in ein Holz Dixi Klo, das dort stand. Riss mir die Hose runter, setzte mich auf den Klodeckel und hörte erneut ein »plop«. Ich drehte mich um und sah in der Kloschüssel einen weißen Käfer schwimmen. Unfassbar, dieser weiße Käfer. Der weiße Käfer schwamm da so drinnen. Ich betrachtete ihn und wusste nicht, was ich tun soll. Doch dann kam mir plötzlich in den Sinn, dass die anderen auf mich warteten, und ich wusste, ich musste schnell zurück zum Seminar, zur Kreuzigung. Mechanisch wollte ich beim Klo runterspülen, aber ich begriff, dass ich den Käfer nicht einfach das Klo runterspülen kann. Ich hatte aber auch nicht den Mut, den Käfer aus der Schüssel rauszuholen. Aus Zeitnot ging ich einfach weg und ließ den Käfer im Klo zurück. Ich ging zurück zu den drei Frauen an den Tisch. Dieses Mal ging ich zu der Frau die in der Mitte saß. In dem Moment, in dem ich zu ihr trat, konnte ich mich wieder erinnern: Die vorherigen Male, bei den vorherigen Kreuzigungen, haben sie sozusagen als »Zugabe« zur Kreuzigung dem oder der zu Kreuzigenden noch so eine kleine Kette mit einem kleinen Haken umgehängt. Der kleine Haken wurde dabei direkt am Brustkorb eingehängt, damit die Kreuzigung noch schmerzhafter, noch intensiver ist. Die Kreuzigungserfahrung in ihrer vollsten Intensität und Wucht. Trotzdem ich mich an diese Tatsache erinnerte, wusste ich: Ich schaff das schon irgendwie. Nach dem Motto: Immerhin habe ich es das letzte Mal auch geschafft. Doch dann sah ich, dass vor der mittleren Frau diese Kette lag. Doch es war nicht dieselbe Kette wie die anderen Male. Dieses Mal hatten sie sich etwas Neues einfallen lassen. An der Kette war kein kleiner Haken mehr befestigt, sondern ein riesiger Fleischerhaken. Ein Fleischerhaken, den sie einem so richtig in die Brust martern, richtig in den Brustkorb reinhauen. Nach dem Klo war ich eigentlich richtig bereit für die Kreuzigung gewesen, aber der Fleischerhaken brachte mich vollends aus dem Konzept. Nervös sagte ich zu den Frauen hinter dem Tisch: »Wartet ich muss mich noch fertig machen. Ich muss mich für die Kreuzigung noch fertig herrichten.« Ich ging zu den anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen und wollte mit ihnen über meine Sorgen und meine Angst reden. Ich sagte zu ihnen, während sie sich vorbereiteten: »Puh, heute bin ich als erstes dran.« Von den anderen kam keinerlei Resonanz. Alle waren mit ihren eigenen Dingen beschäftig. Ich wusste, ich muss mich auch noch irgendwie anders anziehen für die Kreuzigung. Ich dachte mir, dass es bestimmt richtig beschissen aussieht, wenn ich da so am Kreuz hänge und mich alle meine Exkremente verlassen und ich mich richtig vollscheiß. Aber was soll ich bloß anziehen? Vielleicht einen Sarong? Naja der schaut zwar gut aus, aber da tropfen die Exkremente auch runter. Also muss ich unter dem Sarong auf jeden Fall noch eine Hose anziehen. Ich musste aber noch die Taschen meiner Hosen entleeren. Die Inhalte der Hosentaschen könnten mich stören da oben am Kreuz. Besonders der Gürtel muss weg. Immer wieder versuchte ich, meine Sorgen mit den anderen zu teilen, doch niemand nahm mich wirklich war. Dann fiel mir auf, dass eine Frau mich doch zu beachten schien. Ich sagte zu ihr: »Ich bin heute als Erster dran. Ich habe Angst, richtig Angst. Ich scheiß mich an vor lauter Angst?« Sie sagte zu mir: »Macht nichts! Am besten machst du‘s so: Wenn du am Kreuz oben hängst, dann haltest alles zurück, du haltest alles zurück und zwickst fest zusammen. Und dann scheißt du dich direkt rauf. Mit einem mal scheißt du dich rauf.«

 

Crux fidelis

»Flecte ramos, arbor alta,
tensa laxa viscera,
et rigor lentescat ille,
quem dedit nativitas,
ut superni membra Regis
miti tendas stipite.«

Aus dem Hymnus Crux fidelis

Képek

Sagrada_Familia_4_ENH
310 x 310px

Szólj hozzá!