15. Innsbrucker Gender Lecture
Sommersemester 2011
Das Ein-Geschlechter-Modell der „modernen“ biologisch-medizinischen Wissenschaften
In den letzten Jahren war die Auffassung vorherrschend, dass die «modernen» biologisch-medizinischen Wissenschaften Frau und Mann als radikal-different postulierten. Das ist nicht korrekt: Mit den um 1800 aufkommenden entwicklungsgeschichtlichen Denkweisen wurde ein (nahzu) gleicher Zeugungsbeitrag von Frau und Mann angenommen, Beschreibungen weitreichender Ähnlichkeiten des Genitaltraktes und weiterer Merkmale schlossen sich an. Es bildete sich die dominante Sicht heraus, dass jeder Mensch zunächst geschlechtslos wäre oder beide Geschlechter in sich vereinige – einige Forschende folgerten gar eine dauerhafte Doppelgeschlechtlichkeit jedes Menschen. Ausgehend von historischen werden auch aktuelle biologisch-medizinische Geschlechtertheorien in den Blick genommen.
In ihnen wird weiterhin davon ausgegangen, dass jeder Embryo das Potenzial habe, sich sowohl weiblich als auch männlich zu entwickeln. Zudem kommen sie bei vielen Faktoren an, die an der geschlechtlichen Entwicklung beteiligt sein sollen, und diese lassen sich nicht mehr in das ideologische Korsett «typisch weiblicher» oder «typisch männlicher» Entwicklung pressen.
Heinz-Jürgen Voss (Dr. phil, Dipl. Biol.) aus Hannover, forscht und lehrt zu Geschlecht, Biologie und Queer. Aktuelle Veröffentlichungen: «Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive» (2010, Transcript) und «Geschlecht: Wider die Natürlichkeit» (2011, Schmetterling.)
Kommentar: Heike Raab, Universität Innsbruck
Moderation: Maria Wolf, Universität Innsbruck
Mitschnitt des Vortrags vom Dienstag, 15. März 2011, Uni Innsbruck