„Wie die Klimakrise, sollen wir die Bildungskrise sehen”

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Schule richtet sich nicht an alle Kinder. Denn einige werden zurückgelassen, gelten als Bildungsverlierer*innen. Warum das so ist und was man tun kann, erzählt Melisa Erkurt im Interview. Und: Die Folgen von Rassismus in der Schule.

Macht unser Bildungssystem einen Unterschied zwischen Kindern, die Mohammed oder Hülya und welchen, die Anna oder Paul heißen? Für die Journalistin und Lehrerin Melisa Erkurt fällt die Antwort eindeutig aus:

„Ich habe nur gelernt, wie ich Annas und Pauls unterrichte […] Im Prinzip habe ich also gelernt, wie ich Hülyas aussortiere, damit weiterhin hauptsächlich Kinder aus bildungsaffinen Familien das Gymnasium abschließen und alle anderen abgeschreckt werden”, schreibt Melisa Erkurt in ihrem Buch „Generation Haram: Warum Schule lernen muss, allen eine Chance zu geben”. (Paul Zsolnay Verlag, 2020)

Für viele Kinder entscheide sich bereits in der ersten Klasse Volksschule welche Bildungswege ihnen offen stehen, bzw. verwehrt bleiben. „Schule geht auf jene mit Migrationshintergrund und auf Arbeiterkinder nicht ein”, so Erkurt. In Österreich, einem Land mit dem teuersten Bildungssystem Europas, verlassen wir uns zu sehr auf das Elternhaus. So kann Bildung nur für Kinder gelingen, deren Mamas und Papas mithelfen. Kindern mit schwierigen Voraussetzungen bietet das derzeitige Bildungssystem hingegen kaum die Chance Defizite aufzuholen.

Bildung wird vererbt, in Österreich stärker als anderswo. Hinter diesem Satz stecken viele Einzelschicksale, die den Lehrkräften in den Klassenzimmern gegenüber sitzen. Erkurt leitete drei Jahre ein Schulprojekt und unterrichtete ein Jahr an einer AHS mit hohem Migrant*innen-Anteil. Ihre Erfahrungen und ihre eigene Geschichte verarbeitete sie im Buch „Generation Haram”, das sie am 24. Oktober auch in Linz vorstellte.

Im Interview fordert Erkurt:

„So wie wir die Klimakrise sehen, sollen wir die Bildungskrise sehen.”

Mit Diskriminierung und Rassismus in der Schule beschäftigte sich auch Fatlinda Ibraimi im Rahmen einer Forschungsarbeit. In ihrer Ausbildung zur NMS-Lehrerin erlebte sie genau das, was Melisa Erkurt kritisiert: Lehrkräfte lernen nicht, wie sie antirassistisch unterrichten können. In ihrer Abschlussarbeit stellte Ibraimi daher folgende Fragen: Werden Lehrkräfte auf diverse Klassen vorbereitet? Welche Rassismuserfahrungen gibt es und wie wirken sich diese auf die Schüler*innen aus? Eines der Ergebnisse lautet: Schon kleine Entscheidungen können die Lebensläufe von Kindern und Jugendlichen massiv beeinflussen.

 

Moderation und Gestaltung: Marina Wetzlmaier

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