Pandemie. Nein, Poesie!

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Ein lyrischer Kosmos besteht aus einem Urknall von Ideen und den zahllosen Möglichkeiten der Gestaltwerdung. Ein lyrischer Kosmos bildet sich durch wiederkehrende Wiederholungen von immer wieder neuen Variationen seiner endgültigen Form, die aber nie endgültig sein wird, zumal bereits wieder eine neue Variation in ihre Verwirklichung drängt. Fortwährend sich veränderndes Schaffen an ein und derselben Ursprungsidee (die zumeist nicht einmal klar erkannt und benannt werden kann), das ist Schöpfung als Dauerzustand. Und jedes einstweilige Endergebnis, das von uns betrachtet und beschrieben wird, ist Poesie. Ist ein Lied, ein Bild, ein Gedicht, ein Musikstück – oder die durchdachte Kombination von Verschiedenem zu der einen gemeinsam lebendigen Darbietung.

Pandemie. Nein, Poesie!Vor langer Zeit suchte mich einmal ein junger Mensch auf, um seine Sprachlosigkeit zu überwinden, die ihn immer dann befiel, wenn seine Freundin ihn fragte: “Was denkst du gerade?” Ich riet ihm, in diesen Augenblicken alles zu vergessen, was er sein wolle oder von dem er glaubte, es sein zu sollen oder zu müssen – und statt dessen einfach das zu sagen, was ihm als erstes in den Sinn käme. “Aber wie find ich das?”, war die berechtigte Nachfrage darauf. “Stell dir vor, du kannst mit deiner Hand durch deinen Mund ganz weit in deinen Bauch hinunter greifen. Dort packst du dann das Gefühl, das du gerade hast, holst es wieder durch den Mund heraus – und beschreibst es ihr.” Die beiden hatten daraufhin, wie ich erfuhr, überaus intensive romantische Erlebnisse. Und so gesehen ist jeder Mensch ein Dichter (eine Dichterin!). H. C. Artmann hatte umfassend recht: “Der poetische Act”. Die Güte und Gediegenheit des Gefühlten, Gedachten, Gedichteten erwächst aus der zunehmend bewussten Wiederholung. Und dann gibt es auch noch Sprachbegabung, Sprachverliebtheit und die sich bis zur Bessenheit steigerbare Ausdruckslust – in den unendlichen Weiten der Poesie.

An der Selektionsrampe des Warenhaus International stehen schon die Schergen der Marktwirtschaft und sortieren unsere Äußerungen nach deren Verwertbarkeit. Während sie sich durch unser Intimstes wühlen, erkennen wir einander und das Leben, das wir sind. Der, den mein Freund kannte begleitet uns dabei. Und mit ihm viele, deren Dichtung Wahrheit ist und nicht zum Kommerz verzweckt sein soll

 

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