Rudolf Habringers neuer Roman hat eine starke sozialpolitische Dimension, ist zugleich ein Roman über eine Familiengeschichte, es ist aber auch ein Linz-Roman. Der Autor im Gespräch über das Zögern gegenüber neuen Wahrheiten, über Vergessen und Erinnern – und über die Musik.
Leirichs Leben gerät aus den Fugen. Eine Fremde spricht ihn an und eröffnet ihm, dass er einen Halbbruder hat, von dessen Existenz er bisher nichts wusste. Leirich, der es sich als Historiker am Institut für Zeitgeschichte gut eingerichtet hat in seinem Leben, reagiert in höchstem Maß erschrocken. Mit wem soll er sich austauschen? Mit seinen Schwestern? Seiner Exfrau? Seiner Tochter? Er beginnt zu recherchieren und erfährt, dass der Halbbruder ganz in der Nähe lebt. Warum hat er sich nicht zu erkennen gegeben? Warum haben die, die von ihm wussten, über Jahrzehnte geschwiegen? Und vor allem – warum hat der Vater nie etwas erzählt von seinem ersten, im Krieg gezeugten Kind? Plötzlich muss sich der Historiker seiner eigenen Familiengeschichte stellen. Unversehens gerät die Auseinandersetzung mit dem unbekannten Bruder zu einer Beschäftigung mit Leirichs Kindheit, dem lange schon verstorbenen Vater und einem Schweigen, das zum Teil der Persönlichkeit des Vaters geschuldet ist, zum anderen Teil den gesellschaftlichen Bedingungen der Nachkriegszeit. Rudolf Habringer erzählt von der Scheu eines Mannes, der sich erst nur zögerlich vorwärtstastet, schließlich aber die Begegnung wagt und ein Familientreffen arrangiert. Ein Roman, der an Tabus rührt und Fragen stellt: Wie sicher sind die Wahrheiten, auf denen unser Leben steht?
Rudolf Habringer im Gespräch im Radio Anstifter.
Die nächste StifterHaus-Veranstaltung mit dem Autor Rudolf Habringer – und Günter Kaindlsdorfer (ORF) – findet am 14. Juni um 19 Uhr ausnahmsweise im afo statt; dort wird das StifterHaus zu Gast sein.