– gebauter Beitrag, nachfolgender Text im Beitrag enthalten; Aufnahmen von der Befreiungsfeier von AUGE|UG auf Youtube (Danke, Renate!) –
Bis zu 500 Personen kamen am 8. Mai zur Befreiungsfeier am Heldenplatz, zu der die Plattform „Jetzt Zeichen setzen“ – unterstützt unter anderem von Israelitischer Kultusgemeinde, Grünen und SPÖ – aufgerufen hatte. Die Polizei hat ihr auch wenig Platz eingeräumt. Die Bühne war ganz an den Rand der Hofburg gedrängt, Tretgitter trennten den erlaubten Kundgebungsbereich vom größten Teil des Heldenplatzes. Hinter den Gittern lag eine großräumig angelegte „neutrale“ Platzverbotszone, die sich bis zur Krypta im Äußeren Burgtor erstreckte, bei der die dem Totengedenken deutschnational/-völkischer Burschenschaften vorbehaltene Platzverbotszone begann. Die Tore des äußeren Burgtors, die in die neutrale Platzverbotszone geführt hätten, für die noch strengere Zutrittsbeschränkungen galten als für die deutschnationale Platzverbotszone, waren verschlossen.
Ein Zugang zur Befreiungsfeier war nur über den Michaelerplatz oder durch das kleine „Adlertor“ rechts neben dem Burgtor möglich. Personen, die es beim der U-Bahn-Station Volkstheater nächstgelegenen Tor zur Böhmstraße, gleich neben dem Volksgarten, versuchten, wurde zumindest zum Teil von dortigen Polizist_innen mitgeteilt, dass der gesamte Platz gesperrt sei. Über die Zugangsmöglichkeit durch das weitgehend unbekannte Adlertor wurden sie – zumindest teilweise – nicht informiert. Mag sein, dass so manche, die zur Befreiungsfeier wollten, daraufhin wieder den Heimweg antraten.
Gleichzeitig mit dem Beginn der Befreiungsfeier am Heldenplatz um 17 Uhr begannen sich auch Teilnehmer_innen einer Demonstration, zu der die „Offensive gegen Rechts“ aufgerufen hatte, bei der Universität Wien zu sammeln. „Rechtsextremen Aufmarsch verhindern“ war deren Aufrufsparole. 1000 bis 1100 Personen nahmen nach Nochrichten.net-Zählung an dieser Demonstration teil. Um 18 Uhr ging die Demo los, vorerst aber nicht weit, nur zur Polizeiabsperrung bei der Mölker Bastei, jenem Ort, an dem sich gegen 20 Uhr die Burschenschaften treffen wollten. Während einzelne Burschenschafter von der Bastei auf die Demonstrant_innen runterschauten, wurden Parolen skandiert. Anschließend wurde über den Ring über das Adlertor zur Befreiungsfeier gezogen.
Mit der Rede des Wehrmachtsdeserteurs und Ehrenvorsitzenden des Personenkomitees „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ und Verfechters eines Deserteursdenkmals am Heldenplatz Richard Wadani war der Wortteil der Befreiungsfeier gerade zu Ende gegangen, als die Antifa-Demo der „Offensive gegen Rechts“ auf den Heldenplatz mit wehenden Fahnen der Alliierten Befreiungsmächte UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich sowie mehreren israelischen Fahnen einzog.
Ungeteilte Zustimmung wurde dem Fahnenmeer bei den „Offensive“-Demonstrant_innen allerdings nicht zuteil, was sich unter anderem in einer Watsche ausdrückte, die später eine mutmaßlich antiimperialistisch gesinnte Person einer_m Träger_in einer israelischen Fahne verabreichte.
Nach den Reden folgte eine Befreiungsparty.
Währenddessen sammelten sich bei der Mölker Bastei die deutschnational/-völkischen Burschenschaften. Unten, vor den Tretgittern der Polizei, legte vor den Kameras der wartenden Journalist_innen eine militärisch uniformierte Clownsarmy-Einheit einen gefallenen Naziclownsoldaten nieder.
Für die Journalist_innen öffneten sich dann kurz die Tretgitter zu einer begleiteten Führung zu den Burschenschaftern.
Um 20 Uhr marschierten rund 200 Burschenschafter samt Begleitung durch einzelne mutmaßlich rechtsextreme Frauen und zahlreiche Fotograf_innen und Reporter_innen los: durch Seitengassen zur Krypta im Burgtor.
Bei der Schauflergasse wurde ihr Marsch von Jubelgesängen an einer Absperrung wartender Menschen begleitet: „Ihr habt den Krieg verloren …“. Am Heldenplatz wurden die Deutschnational/-völkischen mit Pfiffen, Schmährufen, antifaschistischen Parolen und viel Lärm aus Richtung der Befreiungsfeier empfangen. Trotz der großen „neutralen Zone“ übertönte der Lärm der Antifaschist_innen beinahe die Tonanlage der Deutschnationalen.
Der Vorsitzende des Wiener Korporationsrings überraschte mit einem Zitat des „bekennenden Kommunisten Berthold Brecht“: „Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin. Dann kommt der Krieg zu euch. […] Nicht einmal den Kampf vermeidet / Wer den Kampf vermeiden will: denn / Es wird kämpfen für die Sache des Feinds / Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.“ Eine Interpretation ersparte er den Zuhörenden, stattdessen gab er gleich das Wort an Alfred Oberwandling (Gothia Wien) weiter.
Als es hieß „Silentium triste“ und die Kranzträger aufgerufen wurden vorzutreten, sprang plötzlich – einem bekleideten Flitzer gleich – ein Unbekannter zwischen den Säulen des Burgtors hervor, gefolgt von ihm nachspringenden Polizist_innen, rannte durch die Reihen der Burschenschafter, bis er schließlich von der Staatsgewalt niedergerungen wurde.
Er dürfte zuvor die Absperrungen bei der Befreiungsfeier übersprungen, die neutrale Zone durchquert und es vorbei an dortigen polizeilichen Sperrketten bis zur Krypta geschafft haben.
Als die Burschenschaften – nun mit brennenden Fackeln – den Rückweg antraten, zogen auch ein paar hundert Demonstrant_innen über den Ring zurück in Richtung Mölker Bastei. In der Folge bildeten sich antifaschistische Kundgebungen vor der Bastei und in der Schottengasse. Manch Burschenschafter rätselten, wie sie da jetzt rauskommen. Die meisten wollten zum Abschluss aber ohnehin noch ins Restaurant „Zum Leupold“ („Kupferdachl“), das einen Eingang in der Platzverbotszone, und einen außerhalb in der Schottengasse hat. Antifaschistische Demonstrant_innen, die sich vor dem Leupold sammelten, wurden von der Polizei großteils zum Schottentor gedrängt. Als auch die Antifaschist_innen vor der Mölker Bastei zum Schottentor weiterzogen, wuchs dort die Kundgebung noch einmal auf eine Größe von rund 500 Personen an. Kleinere Gruppen von Antifaschist_innen trieben sich aber auch an anderen Orten herum, und waren dabei teilweise mit Problemen mit der Polizei konfrontiert. Meistens kam es zu Identitätsfeststellungen. In der Rosengasse, die eigentlich in der Platzverbotszone lag, aber bereits wieder frei zugänglich war, wurden Demonstrant_innen von einer WEGA-Einheit angehalten. Drei Personen wurden gegen die Wand geworfen. Eine unbeteiligte Zeugin berichtete, dass einer Person vier-, fünfmal hintereinander der Kopf gegen eine Glasscheibe geschlagen wurde, dass sie mit dem Fuß getreten wurde. Eine der drei Personen wurde von der Polizei mitgenommen, zwei durften nach Identitätsfeststellungen gehen.
Zwei weitere Personen waren bereits zuvor festgenommen worden. Laut Polizei wurde einer von ihnen vorgeworfen, eine Flasche geworfen zu haben, eine andere soll eine Absperrung übersprungen haben. Laut Rechtshilfe Wien sind bereits alle drei Personen wieder frei.
Besonders heikel reagierte die Polizei auf vermeintliche Vermummungen. Bisweilen genügte ein Halstuch, um von Polizist_innen zu Ausweisleistungen aufgefordert zu werden.
Besonders hervorgetan im kreativen Provozieren haben sich Polizist_innen auf Fahrrädern, die Personen, die sie verdächtigten, dass sie sich später vermummen könnten, aufhielten und deren Identität feststellten. Später hielten die beräderten Polizist_innen Radfahrer_innen zu Verkehrskontrollen auf und beanstandeten Fahren auf der abgesperrten Ringfahrbahn, mangelhafte Beleuchtung und Ähnliches – zumeist mit Aufnahme der Personalien.
Auch Anonymous Austria feierte die Befreiung am 8. Mai und präsentierte als ihren Beitrag die Übernahme der Websites des Wiener Korporationsrings und des Vereins Studentenhaus im Rahmen einer neuerlichen „Operation Blitzkrieg“ durch gedenkende Ponys.