Zur seltsamen Art, wie in Österreich mittlerweile Asyl- und Bleiberechtsdebatten geführt werden
Aus akin 27/2012:
http://akinmagazin.wordpress.com/2012/12/11/das-prinzip-rehauglein/
Das Prinzip Rehäuglein
„Klassenbeste in Deutsch: Mädchen droht Abschiebung — Protest und Unverständnis nach einem Schreibtisch-Urteil des Asylgerichtshofes: Familie M. aus dem Kosovo soll — fünf Jahre nach ihrer Einreise in Österreich — abgeschoben werden. Es gebe demnach ,keine Hinweise auf nachhaltige Integrationsbestrebungen’. Nur: Die zwölfjährige Tochter des Ehepaars ist Vorzugsschülerin an der Sir-Karl-Popper-Schule in Wien. Sie ist Klassenbeste in Deutsch und will Anwältin oder Ärztin werden.”
So stehts in der „Krone”, die sich sehr darum bemüht, daß das kosovarische Mädchen Leonesa bleiben kann. Und auch dem ORF war das eine Geschichte in der ZiB wert. Aber eigentlich geht es ja um eine ganze Familie, die abgeschoben werden soll. Jetzt stellt sich die Frage: Darf man als Mensch mit dem falschen Paß hierzulande nur dann mit dem Verständnis der öffentlichen Meinung rechnen, wenn man eine kluge und hübsche — und natürlich „weisse” — Tochter hat? Weil: Es gibt da ja vielleicht auch einen kinderlosen Somalier oder eine moldawische Zwangsprostituierte — setzt sich da der Boulevard auch mit solcher Verve ein?
Ja, diese Geschichten sind natürlich bis zu eine gewissen Punkt hilfreich, um die Dramen, die sich für Flüchtlinge und Migranten abspielen, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Der „Fall Arigona” hat viel bewegt. Und der Satz von den „Rehäuglein” hat wohl selbst in den Augen der meisten Kronenzeitungsleser die Schottermitzi unmöglich gemacht. Aber die öffentliche Diskussion ist in breiten Kreisen der Bevölkerung nicht über dieses Prinzip Rehäuglein hinausgekommen — wessen Kinder lieb und nett in die Kamera blicken können, hat gute Chancen auf Empathie. Wer keine Kinder hat oder nur solche, die an Bart Simpson erinnern, darf nicht auf Mitgefühl hoffen.
Die Krone des Ganzen liefert allerdings wirklich das Kleinformat selbst. Auf krone.at wurde das Volk befragt: „Soll Leonesa (12) Bleiberecht bekommen?” Wo sind wir bitte? In Christoph Schlingensiefs Container aus dem Jahr 2000? Wollen wir hier über Menschenrechte abstimmen und nur dem hübschesten Flüchtling als Preis ein Bleiberecht gewähren?
Natürlich sagten 92% der User bei der Krone-Abstimmung „Ja”. Aber wie hätte die Antwort gelautet auf die Frage: „Soll James Okowango (43) Bleiberecht bekommen?” Und seit wann ist die Krone der Asylgerichtshof?
Bernhard Redl