Glosse von Bernhard Redl über das Gruselige an der Menschlichkeit Hitlers
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Rohmanuskript:
mittagsjournal am 1.september
ärgern über einen multimilionär als neuen finanzminister, die eu mit ihrem neuen ratspräsidenten, die wenig ausgewogene berichterstattung über die ukraine — das übliche halt
und zur halbzeit des journals kam ein historischer rückblick anläßlich des 75.jahrestags des ausbrcuhs des 2.weltkriegs. und da war dann folgendes zu hören.
[Ausschnitt Mittagsjournal O-Ton-Hitler]
ich war geschockt. es gruselte mich. das war jetzt hitler im o-ton? wirklich? war das nicht einfach ein ausschnitt aus einem spielfilm? es ging mir nicht ins hirn.
nein, es stimmte schon, das war hitler. aber wo war der dämon? sonst hörte man ja in tondokumenten nur den belferisch-outrierten hitler, die bestie, den kommandoton der radioansprachen. aber der hitler jetzt?
der inhalt dessen, was er gesagt hatte, war da völlig egal, es ging um den tonfall, der so unerträglich banal, ungekünstelt, natürlich war. konnte es sein, daß hitler ein ganz normaler mensch gewesen ist?
natürlich, ich hab mich immer über die dämonisierung dieser figur geärgert. mit dämonisierung schafft man abspaltung, das böse ist als das andere definierbar, das mit uns nichts zu tun hat. historisches lernen wird dadurch geschickt vermieden.
und trotzdem: es gruselte mich. warum? plötzlich wurde mir klar, daß all das, was ich von hitler kannte, die reden, die inszenierten militärischen auftritte, die haßerfüllten texte, auch in mir das bild von hitler als dämonen einbetoniert hatte. auch ich habe das böse abgespalten, es in der person hitlers personifiziert und nicht als teil des menschlichen gesehen — oder besser gefühlt. doch mit diesen einfachen, nicht gebrüllten, sondern recht nüchtern vorgetragenen worten wurde mir schlagartig klar: hitler, goebbels, die ss — die gehörten alle der menschlichen gemeinschaft an.
vielleicht klingt es ja lächerlich. natürlich waren das alle menschen und keine aliens. aber gefühlt hab ich bislang etwas anderes. aber mit diesen wenigen worten hitlers drang das plötzlich auch ins gefühl ein — und machte mir meinen emotionalen selbstbetrug klar. jetzt verstehe ich erst wirklich, was Hannah Arendt damit meinte, daß das böse banal sei.
und das ist wirklich gruselig
/ akin-radio-ausgabe 4.september 2014