Vor wenigen Wochen war in europäischen Zeitungen zu lesen, dass der argentinische Staatsanwalt Alberto Nisman in seiner Wohnung in Buenos Aires tot aufgefunden worden ist. Er leitete die Ermittlungen zum Bombenanschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum (AMIA), bei dem am 18. Juli 1994 in Buenos Aires 85 Menschen getötet und 300 Menschen verletzt wurden. Es ist das schwerste Attentat in der Geschichte Argentiniens und wurde bis heute nicht vollständig aufgeklärt.
Nisman starb nur wenige Stunden vor einer geplanten Anhörung im Parlament, bei der er seine Anklage gegen Präsidentin Kirchner erläutern wollte, der er vorwarf, die Ermittlungen gegen im Kontext des Anschlags tatverdächtige Iraner zu sabotieren, um die Beziehungen mit Teheran zu verbessern und ein lukratives Ölgeschäft abschließen zu können. Die näheren Umstände im ‘Todesfall Nisman’ liegen bislang im Dunkeln. An Suizid mag kaum jemand so recht glauben, viele sehen Nisman vielmehr als ’86. Opfer des Attentats von 1994′. Präsidentin Kirchner wiederum spricht von einer „Operation gegen die Regierung“. Nisman sei ermordet worden, damit man ihr „einen Vertuschungsskandal vorwerfen“ könne. Tausende Demonstranten gingen bereits auf die Straße und forderten eine genaue Aufklärung der Todesumstände. Man wird sehen …
Jenseits all dieser Dramatik, ist der ‘Fall Nisman’ auch noch in einem anderen Zusammenhang bemerkenswert, und zwar schlicht insofern, als er zu weltweiter medialer Aufmerksamkeit geführt hat, was für Ereignisse und Entwicklungen in Lateinamerika nicht unbedingt die Regel ist. In diesem Sinne schrieb zumindest der Journalist Erhard Stackl 2013 im Südwind-Magazin:
„In der Schweiz – und wohl auch anderswo in Europa – gehe die Berichterstattung über den globalen Süden zurück. […]. Die Berichterstattung konzentriere sich [vielmehr] auf [sog.] „Next-Door-Giants“, [also] auf mächtige Länder in der geografischen oder politisch/kulturellen Nachbarschaft. So sei in der „Neuen Zürcher“ und weiteren Schweizer Zeitungen seit 1992 (im Vergleich zu den drei Jahrzehnten davor) die Zahl der Artikel betreffend Afrika von 17 auf vier Prozent aller Auslandsberichte zurückgegangen. Asien-Berichte gingen von 19 auf neun und Lateinamerika-Berichte von elf auf zwei Prozent zurück. Zugenommen haben Berichte aus Europa und solche über globale Fragen. Für Österreich kann man annehmen, dass die Situation eher noch schlechter ist.“ („Medien, Macht, Macher“, Erhard Stackl, Südwind-Magazin, November 2013)
Neben seiner journalistischen Tätigkeit ist Erhard Stackl auch Buchautor, Vorstandsmitglied des österreichischen Lateinamerikainstituts (LAI), sowie Vizepräsident von «Reporter ohne Grenzen Österreich“. Nun hat er einen Sammelband herausgegebenden, in dem zahlreiche junge Journalisten mit Reportagen aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas vertreten sind und Einblicke in die dortige Lebensrealität bieten. Im vergangenen Monat (19.01.2015) war Erhard Stackl zu Besuch im ‘Kepler Salon’ (in Linz), um das neue Buch vorzustellen und einige Passagen daraus zu lesen.
Musik ‘Acoustiblues‘ von Löhstana David (album: ‘Folk & Acoustic’)
Link zum Buch — „Atención: Die besten Reportagen aus Lateinamerika“ — (Czernin-Verlag, Buch-Beschreibung,’Klappentext’)
Veranstaltung im Kepler-Salon