Planetarium wirft anlässlich „70 Jahre Befreiung des Konzentrationslagers Gusen“ den Blick auf einen erschreckenden und vielfach verschüttenden Teil unserer Geschichte.
70 Jahre ist es her, dass die Truppen der Alliierten das Konzentrationslager Mauthausen in Oberösterreich befreiten. Soweit die Geschichte, die weitgehend in die Köpfe der Menschen und in Seiten der Geschichtsbücher vorgedrungen ist. Viel weniger bekannt ist, dass am selben Tag, dem 5.Mai 1945, US-Soldaten auf ein weiteres Lager stießen – ein Lager größer und schrecklicher als Mauthausen.
Nur wenige Kilometer von Mauthausen entfernt entdecken Truppen der Alliierten das Konzentrationslager Gusen, wo mehr als 20.000 Häftlinge an diesem 5. Mai von ihrem unsagbaren Leid befreit werden. Die amerikanischen Soldaten finden sich als Befreier des Lagers unvorbereitet inmitten einer humanitären Katastrophe. Noch in den Tagen nach der Befreiung sterben tausende Häftlinge an den Folgen der schrecklichen Lebensbedingungen, denen sie im Lager ausgesetzt waren. (Gusen und Mauthausen waren die einzigen Konzentrationslager der sog. ‚Lagerstufe III‘ auf dem Gebiet des ‚Deutschen Reiches‘. Näheres dazu im Beitrag.)
Heute wird Gusen auch als das „vergessene Lager“ bezeichnet. Bereits seit den 1950er Jahren wurden auf dem ehemaligen ‚KZ-Gelände‘ neue Wohnsiedlungen errichtet. Inmitten der heutigen Siedlung erinnert eine kleine Gedenkstätte – (erbaut über den erhaltenen gebliebenen Resten des Krematoriums) – an das ehemalige Konzentrationslager. Zu den Überresten des damaligen SS-Industrieparks ist nur mehr sehr eingeschränkt Zugang möglich. Die Stollenanlage von „Bergkristall“, wo während des Krieges unterirdisch Jagdflugzeuge produziert wurden, ist nur wenige Male im Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich.
Ing. Rudolf Haunschmied ist Autor und Heimatforscher und beschäftigt sich seit beinahe 30 Jahren mit der Aufarbeitung der NS-Geschichte rund um die Konzentrationslager Gusen. Als Gründungsmitglied ist er eine zentrale Persönlichkeit des Gedenkdienst-Komitees-Gusen (Gusen Memorial Committee).
Im Interview mit Sabine Traxler und Christoph Srubar spricht er über den Aufbau, die Entstehung und Organisationsstruktur des Lagerkomplex Gusen sowie über die Lebensbedingungen der Häftlinge und über die Zeit vor und nach Befreiung des Konzentrationslagers.
Musik: Carlos Rives – Noesis 5
Links:
KZ Gusen Memorial Committee – www.gusen.org
Gusen Memorial – www.gusen-memorial.at
Audioweg Gusen – http://audioweg.gusen.org/
Buchhinweis: St. Georgen – Gusen – Mauthausen. Concentration Camp Mauthausen Reconsidered
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zu Teil 2 – ‚Nachkriegszeit und Gegenwart‘ – Sendung nachhören
Im zweiten Teil des Gesprächs mit Rudolf Haunschmied erfahren sie mehr über die Zeit nach der Befreiung des Konzentrationslagers Gusen und über die Formen des Gedenkens, die heute an dem Ort des Geschehens möglich sind. Künstlerisch hat sich mit dem Lager Gusen beispielsweise Christoph Mayer im Rahmen seines Projekt s „Audioweg Gusen“ auseinander gesetzt.
Der AUDIOWEG GUSEN thematisiert als begehbare „Skulptur“ das verschüttete Gedächtnis eines Ortes, an dem sich während der NS-Diktatur die Konzentrationslager Gusen I und II befanden. Die Besucher des AUDIOWEGs GUSEN rekonstruieren dieses Gedächtnis anhand persönlicher Erinnerungen Überlebender, von Zeitzeugen aus der lokalen Bevölkerung, aber auch von Tätern und ehemaligem Wachpersonal.
Weiters spricht Rudolf Haunschmied über die aktuellen Entwicklungen im Bezug auf die Arbeiten des Linzer Filmemachers Andreas Sulzer, der zu weiteren Teilen der Stollenanlage von Bergkristall forscht, sowie über das derzeitige Wohnsiedlungsprojekt vor dem Eingang zu Bergkristall.