18 – Felicitas Söhner (Düsseldorf) Diagnostik als Impulsgeber der Medikalisierung des Kinderschutzes

Podcast
Medikalisierte Kindheiten – Die neue Sorge um das Kind vom ausgehenden 19. bis ins späte 20. Jahrhundert
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    20:55
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27:09 perc
01 - Eröffnung der Tagung Medikalisierte Kindheiten
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28:52 perc
02 - Maria A. Wolf (Innsbruck) Medikalisierung der Sozialen Frage und wissenschaftliche Neuordnung der Kindheit
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21:39 perc
03 - Kristina Schierbaum (Frankfurt) Janusz Korczak im Spannungsfeld von Pädiatrie und Pädagogik
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28:34 perc
04 - Irene Berkel (Innsbruck) Die Neuvermessung der Kindheit in der psychoanalytischen Klinik und Theorie
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30:38 perc
05 - Klara Meßner und Rodolfo Tomasi (Bozen) Nach zwei Diktaturen zur Demokratie Erwachsenen-, Kinder-Jugendpsychiatrie in Südtirol
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34:18 perc
06 - Elisabeth Dietrich-Daum (Innsbruck) Die Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation von Maria Nowak-Vogl (1947–1987). Projektbericht
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17:31 perc
07 - Mirjam Janett (Basel) Die „behördliche Sorge“ um das Kind. Kindswegnahmen in Basel von 1945 bis 1972
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17:26 perc
08 - Keber Katharina (Ljubljana) Post WWI children healthcare in Central Slovenia as experienced by Angela Boškin, the first Slovenian home care nurse
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39:43 perc
09 - Christine Hartig und Sylvelyn Hähner-Rombach (Ulm und Stuttgart) Institution, Zeitzeugen, Narration. Re-Konstruktionen der Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation
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27:28 perc
10 - Elisabeth Malleier (Wien) Die Sorge, meine Akte und ich

Diagnostik als Impulsgeber der Medikalisierung des Kinderschutzes.
Felicitas Söhner (Düsseldorf)

Kinder und Heranwachsende sind eine vulnerable Bevölkerungsgruppe, deren Schutz vor Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung in unserer Gesellschaft als zentrales Gut und moralische Verpflichtung verstanden wird (Vgl. Fegert et al., 2010, S.18). Das Verständnis eines moralischen Gebots, Kinder zu schützen, ist keineswegs ein Phänomen der Moderne. Kinderschutz, und damit Misshandlung und Missbrauch von Kindern, sind als Gegenstand der Medizin ein relativ junges Phänomen. Zwar ist die Problematik keine Erscheinung der modernen Gesellschaft, doch das Verständnis einer Zuständigkeit von Medizin für den Kinderschutz hat sich erst im 19. Jahrhundert entwickelt. Vorher wurde es vielmehr als soziales Problem verstanden. Zunächst war es vor allem die Gerichtsmedizin, die sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit Gewalt gegen Kinder unter medizinischen Gesichtspunkten befasste. Die moderne, institutionalisierte Ausprägung des Kinderschutzes fand ihre Anfänge mit der Gründung verschiedener lokaler Gesellschaften, die sich für Kinderrechte einsetzten.  Die historische Entwicklung der Medikalisierung des Kinderschutzes unterlag einem konstanten Wandel. Dieser drückt sich aus in einer zunehmenden Verbreiterung der Debatte und einer zunehmenden Differenzierung innerhalb des Fachbereiches Medizin. Dieser Prozess baut auf dem wachsenden Wissen über Missbrauch und zunehmenden diagnostischen Möglichkeiten auf. Die fachliche Auseinandersetzung stand immer in Zusammenhang mit dem medialen, öffentlichen Diskurs, der bis in die späten 1960er Jahre hinein geprägt war von einer Tabuisierung der Offensichtlichkeit und ihrer moralischen Folgen. Diese Haltung änderte sich stark durch die Publikation Henry Kempes, dessen Diagnostik einen sichtbaren Beweis erbrachte, der in seiner Prägnanz und Eindeutigkeit nicht mehr verdrängt oder umgedeutet werden konnte. Durch die Arbeit des Pädiaters Henry C. Kempe und seines ‚Child Protection Teams‘ in Denver setzte ein Paradigmenwechsel im medizinischen Kinderschutz ein. Kempes Beitrag initiierte eine fachliche Debatte und lässt sich als Katalysator der medizinischen Auseinandersetzung mit der Thematik verstehen (Vgl. Kruse, 1993, S.5). Dieser Beitrag untersucht, wie die Etablierung neuer Diagnosemöglichkeiten durch die technische Entwicklung, die sozialpolitische Gemengelage sowie Phasen verstärkter medialer Aufmerksamkeit eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern ermöglicht und unterstützt haben. Die dazu angeführten Beispiele stellen die Komplexität der Geschichte des medizinischen Kinderschutzes dar im Hinblick auf die gesellschaftlichen Akteure, Fragen der Diagnostik, die öffentliche Wahrnehmung und politische Interventionsstrategien.

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