Marcello Liscia: Ein verregneter Sommer

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Tobias und Veit sprechen diesmal über Marcello Liscia: Ein verregneter Sommer, D 2022, 240 S. Broschur, Querverlag

Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist eine der berührendsten Geschichte eines jungen schwulen Mannes, der zu sich selbst findet, die je erzählt worden ist. Der Roman hat die Wucht einer Urerzählung, in der alles zusammengefasst wird, was es ausmacht, wenn sich ein Jugendlicher darüber klar wird, schwul zu sein – und zugleich lebt er von einer sprachlichen Feinheit und erzählerischen Wärme, die die Handlung unmittelbar erlebbar macht, obgleich sie in einer fernen, uns schon einigermaßen fremden Zeit spielt. Es ist die Geschichte des 16jährigen Luca, der Ende der 50er Jahre aus Italien in die deutsche Provinz, nach Paderborn geschickt wird. Dort lernt er den gleichaltrigen Hans kennen, und allen Widrigkeiten zum Trotz verlieben sich die beiden, obwohl Luca nur Brocken Deutsch und Hans kein Italienisch versteht. Wohl noch nie wurde so elegant beschrieben, wie Liebe ihre eigene Sprache findet. Doch für Luca ist es mehr als die Erfahrung der ersten großen Liebe und erfüllendem Sex; eingeimpft war ihm, dass ein „frocio“, eine „Schwuchtel“ zu sein, das Schlimmste ist, was ein Junge sein kann – ohne dass er wirklich gewusst hätte, was das eigentlich genau sein soll. Und so, wie ihm mit Hans klar wird, dass er selbst schwul ist, versteht er, was ein „frocio“ ist, aus dem Schimpfwort wird Selbsterkenntnis. Dass es Marcello Liscia gelungen ist, Lucas Ringen um sein Schwulsein in einer romantischen Liebesgeschichte zu erzählen, die weder tragisch noch kitschig, sondern in einem Aufbruch endet, gibt dem Buch dann abschließend echte Klasse.

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