Das Band -eine begehbare Geschichte

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TEAM

Drehbuch: Gertrude Moser-Wagner.
Soundscapes (Ventotene Sounding) und post-production: Josef Reiter.
Lesung: Sara Ventroni. Stimme und Übersetzung aus dem Italienischen: Julia Dengg. Stimmen aus Ventotene: Filomena Gargiulo, Cristina Marotta, Hafenarbeiter.

MATERIAL

The Ribbon: 11 Verse (2021) von Sara Ventroni, Rom, bei ihrer Lesung 2022 in Ventotene
Das Band: 11 Verse (2022) übersetzt von Julia Dengg, Aufnahmen mit Julia Dengg, (Wally Rettenbacher) Gegend um Irdning.
Soundscapes aus „Ventotene Sounding“ (2022), wie etwa Schienenklang, Wind, Instrumente, Stimmen etc. von Josef Reiter
Interview  mit Gertrude Moser-Wagner, (2022) im Sternstudio, Wien, (Aufnahme Wally Rettenbacher).
Interview von Gertrude Moser-Wagner im Beisein von Sara Ventroni mit Autorin Filomena Gargiulo, im Ristorante Il Giardino, in Ventotene, vermittelt von Anna Impagliazzo.
Gespräch von Gertrude Moser-Wagner mit Cristina Marotta, in ihrem Haus in Ventotene.
Hafenarbeiter am Porto Romano in Ventotene, in einer Arbeitspause.

DREHBUCH (ORT, ZEIT, SPRACHE)

Das Audiostück ist als Hörraum vor allem auf Ventotene angesiedelt. Italienisch und Deutsch mischen sich, Mitwirkende performen und nehmen als Klänge auf: den Wind, die Sprache, Elemente aus der Geschichte, Aussagen zum Leben der Insel. Der zweite Ort im Stück ist, ohne genannt zu werden, Rom. Die Stadt löst das zentrale Gedicht The Ribbon aus, durch das Erlebnis der leeren Straße (Pandemie 2020) in der die Dichterin unvermittelt steht. Dritter Ort ist die Landschaft um Irdning, Berge, das Bächlein, die Kinderstimme – Ort der Übersetzung. Wien kommt in der Erzählung der Künstlerin nur als Ort der Projekte vor.

Ventotene ist einzigartig, eine kleine Insel im Tyrrhenischen Meer, zwei Stunden vom Festland und ganz ausgeliefert den Winden, die von den Einheimischen immer mit Namen bezeichnet werden. So auch die Zugvögel, die hier rasten, beringt werden bevor sie weiterfliegen – ein Vogelzugmuseum ist vor Ort zu besuchen, das Einzige seiner Art im Süden. Ausgesetzt-Sein. Der Fernblick weitet den Geist, Wind beflügelt, aber der Nahblick zeigt es auf. Diese Insel atmet Geschichte: Verbannung und Widerstand, seit den Römern. Die vorgelagerte Gefängnisinsel Santo Stefano beherbergte berühmte Antifaschisten und das „Manifesto di Ventotene“ wurde hier verfasst. Inzwischen eine vorbildliche Naturschutz-Insel, hat diese Tuffinsel nur sehr wenig Strand zu bieten, jedoch Kultur. Die Menschen leben jetzt vom Tourismus, früher waren sie arm.

STRUKTUR (SELBSTWAHRNEHMUNG)

Aus dem frühen Projekt-Tagebuch (2015): Diese Insel ist wie ein Existenzformat. Klanglich ein Zustand, dass uns Hören und Sehen vergeht. Der Wind ist eine multiple Person und hat Namen, er kann Verunmöglicher sein, so lernen wir von den Einheimischen und wir haben es selbst erfahren, indem ein Schiff nicht abfährt, dann muss man eben bleiben. Eigentlich wollten wir Giulia in Neapel besuchen. Inselmenschen gehen mit dem Wind und leben in der Windzeit. Schiffe fahren oder fahren nicht und die Zeit hat eine andere Form, wie auch der Himmel, das Licht. Zugvögel rasten hier, bevor sie weiterfliegen nach Afrika. Das Meer ist Windempfänger. Die Insassen der 2 km entfernten Gefängnisinsel Santo Stefano etwa hörten das Meer nur rauschen aber sahen es nicht, ihr Blick aus der Zelle war einzig auf den Wachturm gerichtet. Wie Zuschauer, die auf eine Bühne blicken, vereinzelt. Denn sie selbst sind die Bühne. Das Prinzip Panoptikum funktioniert umgekehrt, dass sie, die Gefangenen, selbst stets überwacht werden, von einem Punkt aus.
Zusatz aus den Notizen (2022): Nun ist das berühmte Gefängnis europäisches Kulturerbe und sucht seine Funktion: wird es ein historisches wie geologisches Museum, wird es erlebnistouristische Hochburg werden? Ein Helikopter rattert mit eine paar Ziegeln im Huckepack am Tag unserer Aufnahmen und wirkt unschlüssig. Eine Projektions-Leinwand hat im Außenraum wenig Chance, wenn der Wind weht, bläht sie sich auf. Die Einheimischen wissen, wann man diese Chance hat!

HÖRRAUM (ZUSAMMENFASSUNG)

Der Hörraum „DAS BAND – eine begehbare Geschichte“ ist mit Personen und Orten bestückt. Erzählungen dienen dem Stück als Klammer. Eine momentane Poesie, die auftritt, wie der Wind. Sie schreitet zweisprachig voran, trifft auf Bilder einiger abgelegter Projekte und früherer Orte. Der Hörraum überlagert sich mit dem Jetzt. Auf einer Insel befindlich, knüpft er dieses Band weiter oder splittet es. Einheimische kommen sprechend dazu. Der Nahblick ist auf eine unerwartete Wildnis in der Stadt gerichtet: Den Versen eingeschrieben reflektiert sich dort Natur und es geht um Erfahrung der Ausgehbeschränkungen, 2020. In abgeschotteten Städten ist es wie auf einer Insel? Erkenntnis aus der Vereinzelung, ein Hineingehen und ein Heraustreten aus der Umzäunung. Diese Wildnis entdeckt die Dichterin in Rom, Ruderalien wachsen in der sonst hoch frequentierten Straße, jetzt ist es eine Asphalt-Natur. Ein roter Bauzaun gibt nun den Impuls zum Gedicht: Umfriedung, in die ein weißes Band geflochten ist –sie verbindet im Text die zwei Frauen in Wien und Rom, mit Iulia, der verbannten Tochter des Imperator Augustus, auf Ventotene. Julia ist auch Übersetzerin, ist ….Giulia, Name, Echolalie! Wind, der sich heute weltweit zu Böen wandeln kann, macht unsicher. Sicherheit besteht nur in dem, was der Mensch weiß und erlebt oder angelernt hat. Kindheit und die dem Leiblichen eingeschriebenen Orte und Erfahrungen (mit erster Natur). Strukturen entlang – das können abgelegte, geformte Werke und Lebensläufe sein – die vielleicht wie diese Bänder sind. An Seilen schwingt man sich empor oder zieht einen Fund an Land, fühlt Gemeinschaft, webt einen Stoff weiter, verbindet Worte zu einem Klangteppich. Polyphonie, die an den Rändern offenbleibt. (Text Gertrude Moser-Wagner)

 

wallyre082923

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