Es gäbe eigentlich drei unterschiedliche Lampedusas, schreibt Gilles Reckinger:
Da gibt es einmal das Lampedusa der Bootsflüchtlinge. Von diesem Lampedusa wird schlaglichtartig berichtet, immer dann, wenn große Katastrophen passieren. Die Bilder von überfüllten oder sinkenden Booten und tausenden halb verhungerten und verdursteten Schiffbrüchigen haben sich in das kollektive Bewusstsein Europas eingebrannt. Mit ihnen wird Politik gemacht, mit ihnen wird Angest geschürt, in Brüssel, Rom, Berlin und Graz.
Dann gibt es das Lampedusa der Touristen, denn während der Sommermonate ist die Insel ein beliebtes Reiseziel der ItalienerInnen geworden. Für sie ist die Insel ein Nicht-Ort, wie jede andere Massentourismusdestination. Von diesem Lampedusa berichten Reiseprospekte und Werbebroschüren. Sie zeigen Lampedusas blaue Buchten und weiße Strände und erzählen von einem unbeschwerten Zeit.
Und dann gibt es das Lampedusa der BewohnerInnen der Insel, der „Lampedusani”, die ihren Alltag auf dieser Insel bestreiten. Es ist die ärmsten Region Italiens, im südlichen Süden Süditaliens. Von diesem Lampedusa wird am wenigsten berichet. Gilles Reckinger, Kulturanthropologe und Filmemacher hat über mehrere Jahre eben jenes Lampedusa in den Fokus genommen – ohne freilich auf die anderen Aspekte der Insel zu vergessen.
Wir sprechen mit ihm über sein kürzlich erschienenes Buch „Lampedusa. Begegnungen am Rande Europas” (Wuppertal: Ed. Trickster im Peter Hammer Verlag, 2013) und über seine Erfahrungen und Probleme im Prozess der Feldforschung